Keine Angst vorm Reichen-Ghetto

■ Betriebswirt Andreas Lipka fühlt sich als künftiger Pionier autofreien Wohnens (nicht nur im Hollerland)

Andreas Lipka hat Großes vor. Der 26jährige, Betriebswirt bei der Deutschen Bahn, ist schwer entschlossen, künftig statt in Vegesack im autofreien Hollerland zu wohnen. Doch das Modellprojekt, das dort entstehen soll, leidet an Kinderkrankheiten.

taz: Der Interessentenkreis fürs „Autofreie Wohnen“ scheint geschrumpft zu sein. Wo sind all die Leute geblieben?

Andreas Lippka: So wenige sind das gar nicht, es sind sogar noch einige der ersten Stunde dabei. Aber wer vor drei Jahren konkret Bedarf hatte, der hat den in der Zwischenzeit möglicherweise anderweitig gedeckt. Ewig kann man halt nicht warten.

Wie lange haben Sie denn Zeit?

Ich habe keinen konkreten Druck und bin eigentlich auch ganz zuversichtlich. Das Ganze geht jetzt ja in die heiße Phase, die ersten Häuser sollen bald gebaut werden. Das deckt sich in etwa mit meiner Zeitplanung.

Haben Sie keine Bedenken, daß das Projekt mangels Masse, sprich: aufgrund fehlender Interessenten gar nicht realisiert wird? Noch gibt's ja keine konkrete Unterschrift unter einen Vertrag...

Das kann auch nicht sein: Die Verträge sind noch gar nicht unterschriftsreif. Um nämlich die Autofreiheit zu garantieren, wird auf Anregung unseres Vereins „Autofreies Hollerland“ zusätzlich zu dem Vertrag eine Gebietssatzung formuliert. Diese Änderungsvorschläge sind noch nicht fertig, darum gibt's noch keine Verträge und keine Unterschriften.

Aber zum Platzen kommt das ganze Projekt durch Ihre Änderungswünsche nicht?

Nein - meistens sind es nur Formulierungen, die präziser gemacht werden sollen.

Ist es denn so attraktiv, zwar autofrei, dafür etwas weiter draußen zu wohnen?

Das sehe ich nicht als Problem. Da fahren heute die 30er Busse, da fährt in ein paar Jahren hoffentlich die Straßenbahnlinie 4, 150 Meter vor dem Wohngebiet soll die Haltestelle sein.

Hätten Sie denn Probleme damit, daß sich die ganze Anlage - die Häuser kann sich bei 380.000 Mark Kaufpreis ja nicht jeder leisten - zu so etwas wie einem Reichenghetto entwickeln könnte?

Aber die Gefahr besteht doch gar nicht! Im ersten Bauabschnitt werden zwar 22 Reihenhäuser gebaut, die von Leuten gekauft werden müssen, die entsprechend Knete haben. Gleichzeitig werden aber auch 25 Mietwohnungen entstehen, die mit WB-Scheinen zu bekommen sind. Also, ich gehe davon aus, das wird eine ganz schöne Mischung geben.

Ich drücke Ihnen die Daumen. Empfinden Sie eigentlich so etwas wie Pioniergeist?

Es erfüllt einen schon ein bißchen mit Stolz. In 50, 60 Jahren kann ich vielleicht sagen: Ich war einer der ersten. Mittlerweile interessieren sich ja sogar andere Städte wie Edinburgh für unser Projekt. Und was auch schön ist: Wir haben Kontakt zum Amt für Straßen- und Brückenbau, weil in diesem Wohngebiet noch keine Straßennamen vergeben sind und wir als Verein darüber mitbefinden dürfen. Wann hat schon mal ein Bewohner eines zukünftigen Wohngebietes die Chance, sich seinen eigenen Straßennamen auszusuchen...

Welche Namen haben Sie denn vorgeschlagen?

Dazu möchte ich nichts sagen, bevor die Antwort des Amtes nicht vorliegt. Nur soviel: Wir haben drei Vorschläge eingereicht, und wir halten alle für begründet.

Mit einer Gottlieb-Daimler-Straße müssen wir nicht rechnen?

Nein, ganz sicher nicht!

Interview: Holger Jenrich