Dauerbrenner Kinder, Küche, Kirche

■ Interview mit der Kabarettistin Hilde Wackerhagen über Frauen in der Branche

taz: Sie sind Frau, und Sie sind Kabarettistin...

Hilde Wackerhagen: Damit haben vor allem die Veranstalter Probleme. Männer haben schon immer politisches Kabarett gemacht. Aber der weibliche Blick auf die Gesellschaft hat gefehlt. Fußball ist zum Beispiel für viele Hausfrauen eben kein patriotischer Zeitvertreib, sondern bedeutet, daß Männer vor dem Fernseher hocken, Bier trinken oder daß Fußballschuhe geputzt werden müssen.

Viele Kabarettistinnen sind der Losung „Das Private ist politisch“ verbunden. Kinder, Küche, Körper, Kirche sind Dauerbrenner. Warum ist es eigentlich so schwer, diesen Rahmen zu verlassen?

Hausfrau, Schürzenträgerin – das sind Rollen, die die Gesellschaft den Frauen zugewiesen hat. Darüber muß man reden, weil das bisher auf der nicht Bühne vorkam. Eine Frau ist im wesentlichen ein Geschlechtswesen. Barbara Sichtermann hat das einmal so ausgedrückt: „Das erste, was man bei einer Begegnung wahrnimmt ist das Geschlecht, bei Frauen ist es manchmal auch das letzte.“

Sind Frauen jetzt auf dem Weg, sich die Hälfte des Kabaretthimmels zu erobern?

Gute Kabarettistinnen gibt es ja schon sehr lange. Nur spricht sich das leider schwer herum. Das Fernsehen bestimmt den Geschmack, und der richtet sich immer nach dem Bekannten.

Das Fernsehen will ja gerade Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen. Muß Kabarett von Frauen deshalb nicht immer mehr zur Show werden?

Das ist der Trend. Aber den muß man ja nicht bedienen. Bei mir gibt es keine Showelemente, ich singe auch nicht auf der Bühne. Ich finde es spannend, gegen den Trend zum Seichten zu arbeiten. Die Zeiten sind politisch so brisant, daß ich der Meinung bin, wir müssen mal wieder unseren Kopf gebrauchen.

Hat Kabarett für Sie eine pädagogische Funktion?

In jeder Hinsicht. Frauen – aber auch Kinder – kommen in der Politik doch gar nicht vor. Die Armut ist weiblich, Frauen bekommen ein Drittel der Renten. Und in einem Rechtsstaat mit Gleichberechtigungsparagraph im Grundgesetz darf man eine Ehefrau weiterhin legal vergewaltigen. Das sind doch wirkliche Skandale.

Auf der einen Seite also deprimierenden Fakten, auf der anderen Seite Komik. Wie schaffen Sie es, daß sich die Leute nicht nur lachend auf die Schenkel klopfen?

Ich arbeite mit ungewohnten Verknüpfungen. Beispielsweise bringe ich den Schutz des ungeborenen Lebens, den sich Kirche und Staat auf die Fahne geschrieben haben, in Zusammenhang mit der Schuld des Lebens, die Kirche und Staat zu verantworten haben, wenn es um Gewalt gegen Ausländer, Schwule, Obdachlose geht. Das kommt als Überraschung.

Sie setzen also auf Wortwitz?

Natürlich arbeite ich auch damit. In der Medienberichterstattung entfällt beispielsweise bei ausländerfeindlichen Aktionen immer der Akteur. „Es kam zu Brandanschlägen auf Häuser.“ Ich nehme das einfach wörtlich und sage: „Aha, ich dachte zuerst, denen gefiel die Architektur nicht!“ Lachen entsteht, weil wir so eine Sichtweise nicht gewohnt sind. Wo Sprache kaschiert wird, werde ich wach. Denn solange etwas kaschiert werden muß, gibt es auch ein Bewußtsein davon, daß der wahre Inhalt eine riesengroße Schweinerei ist. Interview: Waltraud Schwab