Da gab es doch noch Zanussi

■ Über die Auswahl der polnisch-deutschen Filmreihe

Polnische Filme genossen zu Zeiten, als die Solidarität mit den sozialistischen Bruderländern modern war, einen hervorragenden Ruf, obwohl – oder weil? – sie nur von einer Handvoll Intellektueller angesehen wurden. Andrzej Wajdas „Asche und Diamant“ oder Krzysztof Zanussis „Struktur des Kristalls“ waren einst „Camera“- Feste für Eingeweihte.

Die Polen – das hieß Busse voller Einkaufstouristen, die in den Grenzstädten tausend kleine Haushaltsdinge ,wegkauften‘, die in Polen noch weniger als in der DDR aufzutreiben waren. Daß man sich umgekehrt auf dem Polenmarkt mit raren Lederjacken und Folkloreblusen eindeckte, zählte nicht recht. Das Desinteresse an der benachbarten Kultur, Film eingeschlossen, brachte den in Frankfurt an der Oder beginnenden Westen um etliche, ästhetisch anregende Tritte ins Hirn.

Polnische Regisseure hatten die Kollisionen des Individuums mit dem verordneten Kollektivglück thematisiert, lange bevor westlich der Oder an Subjekt-orientierte Filme wie „Das Kaninchen bin ich“ zu denken war. Wajdas „Asche und Diamant“ über die Tragik des bürgerlichen Helden in der „neuen Welt“ entstand bereits 1958. Psychologie und Symbolismus ermunterten die zuständigen Stellen in der DDR zu revolutionärer Wachsamkeit. „Filmischen Psychologismus“ warf die Kritik beispielsweise dem Regisseur Jerzy Kowalerowicz vor. Ignoranz ist das Schicksal aller als peripher angesehenen Staaten und ihrer Kulturen, und Polen war eben nur ein befreites und nicht etwa siegreiches Land.

Die Fremdheit zwischen Polen und Deutschen ist natürlich ein Stereotyp, das im Laufe der Geschichte jedoch immer aufs neue verifiziert wurde. „Kann denn Lüge Wahrheit sein“ heißt deshalb die Filmreihe des Projekts „grenzenlos Warschau–Berlin“. Die Auswahl konzentriert sich fast ausschließlich auf das Polenbild der Deutschen und Deutschlandbild der Polen im Film und verschenkt dadurch, konzeptionellen, zeitlichen und verleiherischen Zwängen geschuldet, einiges.

Zanussis Werk – immerhin wurden seine Drehbücher in der DDR als Buch ediert – fehlt so leider, leider ganz. Dafür wurde am Mittwoch „Kreuzritter“ von Aleksander Ford (1960), ein äußerst erfolgreicher Historienfilm nach dem gleichnamigen Roman von Henryk Sienkiewicz, gezeigt. Acht der dreizehn noch laufenden Filme, um nur Schlöndorffs „Blechtrommel“, Beyers „Aufenthalt“ oder Wajdas „Eine Liebe in Deutschland“ zu nennen, dürften selbst einem Publikum mit weniger „special interest“ bekannt sein. Schade, die Zeit ist reif für eine breitere Retrospektive polnischer Filme. Was für ein großartiger Film war doch zum Beispiel Zanussis „Provinzschauspieler“, aber wer kennt ihn noch? Anke Westphal

Bis 30.11. laufen die Filme im Polnischen Kulturinstitut und im Arsenal, Titel und Zeiten entnehmen Sie bitte der cinemataz.