Ein Kurde im Kampf für Kreuzberg

■ Riza Baran könnte für die Grünen als erster direkt gewählter Immigrant in ein deutsches Parlament einziehen

Mit seinen glänzenden, schwarzen Schuhen, der dunklen Bundfaltenhose und dem weißen Hemd unter dem feingestrickten Pullover sieht er bei der Kandidatenvorstellung der Grünen in Kreuzberg am seriösesten aus. Als Kurde mit deutschem Paß kandidiert Riza Baran (53) im Wahlbezirk 3 in Kreuzberg für das Abgeordnetenhaus. „Ich bin in erster Linie Kreuzberger“, sagt Baran, „der deutsche Paß spielt keine Rolle.“ Aber er macht es möglich, gewählt zu werden. Baran könnte am 22. Oktober der erste Immigrant sein, der direkt in ein deutsches Parlament gewählt wird. In Kreuzberg gab es bei den letzten Wahlen bereits ein Kopf-an-Kopf- Rennen zwischen den Direktkandidaten von SPD und Grünen. Die PDS hat diesmal in diesem Wahlkreis auf einen eigenen Kandidaten verzichtet und unterstützt Baran, den sie zum linken Flügel der Grünen zählen.

Riza Baran kam mit der „ersten Generation“ 1963 aus der Türkei nach Deutschland, studierte Bauingenieurswesen und wurde Berufsschullehrer für Holztechnik. Ein Hauptanliegen des politischen Engagements Riza Barans ist das Wahlrecht für alle Ausländer, die mindestens fünf Jahre in Deutschland leben. Bis dahin muß Riza Baran seine Wähler unter den deutschen Bewohnern Kreuzbergs suchen. „Mich werden alle wählen, die gute Erfahrungen mit Immigranten gemacht haben“, meint Baran und gibt zu, daß das nicht immer der Fall ist. So verärgert oft eine „ausländische Müllkultur“ im Hinterhof die deutschen Hausbewohner, oder Feste gehen lautstark bis ins Morgengrauen. „Es geht nicht darum, daß man seine Kultur aufgibt, sondern darum, daß man sich auf die andere einläßt“, beschreibt Baran seine Philosophie: „Nationalität ist kein Programm. Politisch gesehen ist man in Deutschland doch nicht Deutscher, Kurde oder Türke, sondern links, konservativ oder grün.“

Selbst gegenüber den „Republikanern“ hat Riza Barans „Politik der Verständigung“ Früchte getragen. Als im Immigrantenausschuß über „Ausländerkriminalität“ diskutiert wurde, konnte Baran die Ursachen der hohen Kriminalität unter Ausländern als „nicht ethnologisch bedingt“ erklären: „Unter vergleichbaren deutschen Gruppen ist die Kriminalität genauso hoch. Denn Kriminalität entsteht durch Arbeitslosigkeit, Schulprobleme und den Mangel an Perspektiven, und davon sind Ausländer mehr betroffen.“

Baran kämpft für die doppelte Staatsbürgerschaft, eine multikulturelle Schulpolitik und gegen die Arbeitslosigkeit. Themen, für die ein rot-grüner Senat in Bonn etwas verändern müßte. Das erfordert viel Kraft und Einsatz, aber der Kandidat bescheinigt sich eine „preußische Haltung“: „Ich bin genau, korrekt und arbeitssüchtig, und deshalb bin ich für die Politik geschaffen.“ Trotzdem macht sich Riza Barans 22jährige Tochter Sorgen. „Die meint, daß meine 60- Stunden-Woche meine Gesundheit ruiniert.“

Für Kreuzberg wünscht sich Baran eine Moschee: „Eigentlich dürfte es in einer zivilen Gesellschaft darüber keinen Streit geben. Hier ist nicht Bosnien.“ Adrian Prechtel