Schlangenhaus am Moabiter Werder

■ Überraschende Entscheidung beim Wettbewerb zum Moabiter Werder: Ein „Sonderankauf“ wurde Sieger

Mit einer handfesten Überraschung ging der Realisierungswettbewerb für die Bundeswohnungen auf dem Moabiter Werder zu Ende. Statt eines ersten Preises wurden zwei zweite und drei dritte Preise vergeben. Der eigentliche Sieger, der Berliner Architekt Georg Bullimer, lief gewissermaßen außer Konkurrenz: Er hatte eine fünf- bis achtgeschossige schlangenförmige Wohnungsschlaufe und vier Punkthäuser entworfen, die die Vorgaben für den Wettbewerb zwar auf den Kopf stellten, aber die Preisrichter gleichwohl ob ihres „kreativen, mutigen, innovativen Ansatzes“ überzeugten.

Die Jury unter dem Vorsitz des Münchner Architekten Christoph Sattler machte vom Kleingedruckten im Auslobungstext Gebrauch und konnte darum den eigenwilligen Entwurf des 38jährigen Architekten qua „Sonderankauf“ zur Nummer eins küren. Insgesamt 29 Architekten hatten sich an dem Wettbewerb zuletzt beteiligt.

Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) zeigte sich gestern über die „bemerkenswerte Entscheidung“ für die „markante Tiergartenschlange“ zufrieden.

Kritik wurde postum dagegen an den Wettbewerbsvorgaben geäußert. Der vorgegebene Riegel entlang der Lüneburger Straße und die südöstlich im rechten Winkel dazu angeordneten drei U-förmigen Figuren hätten, meinte Jury-Vorsitzender Sattler, dazu geführt, daß sich die eingereichten Entwürfe „fast verwechselbar ähnlich“ gewesen seien. Der Bullimer- Entwurf hingegen verkörpere eine „spielerische Gelassenheit und Lässigkeit“, meinte Sattler. Senatsbaudirektor Hans Stimmann sprach von einer „großen Erleichterung“.

Verfahren war die Situation in der Tat. Bereits 1988 hatte der damalige Westberliner Senat einen Wettbewerb für die Wohnbebauung auf dem Moabiter Werder ausgelobt. Nach dem Mauerfall und der Entscheidung für den Regierungssitz Berlin hatte 1991 das Bundesbauministerium die Planungen übernommen und drei Jahre später gekippt.

Mit dem Bau von Bullimers „Tiergartenschlange“ soll nach Angaben der Bauherren (Deutschbau und Frankfurter Siedlungsgesellschaft) Ende nächsten Jahres begonnen werden. Zwar müsse der bereits vorhandene Bebauungsplanentwurf noch einmal umgearbeitet werden, meinte Stimmann, mit Verzögerungen sei aber, da alle Beteiligten bereits Zustimmung signalisert hätten, nicht zu rechnen.

Die 754 Wohnungen, der Großteil davon Ein- oder Zweizimmerappartements, sollen bis zum Umzug des Bundestags 1998 fertiggestellt sein. Das Bauvolumen beträgt 200 bis 300 Millionen Mark. Die Mieten sollen sich nach Fertigstellung auf etwa 18 Mark den Quadratmeter kalt zuzüglich Betriebskosten belaufen. Uwe Rada