Ehrgeiz fördern

Berufsbeamtentum und lebenslange Arbeitsverträge für ProfessorInnen schaden der Lehre  ■ Von Frank Seyffert

Wieder einmal stehen im Herbst politische Entscheidungen über die Zukunft der Hochschulen an. Ob sie aber zu positiven Veränderungen im Bildungssystem führen, ist zu bezweifeln. An der Misere ist die Politik ebenso beteiligt wie die Universität selbst. Nur kein Nachdenken über sinnvolle, tiefgreifende Veränderungen! Was aber ist schlecht an dieser Universität im Jahr 1995? Und wie könnte sie in Zukunft aussehen?

Das sogenannte Betreuungsverhältnis verschlechtert sich immer mehr. Den „Massen“ der StudentInnen und zu langen Studienzeiten versucht man durch Reglementarien beizukommen, die das Studieren mehr einschränken als befördern. Was zählt, sind die verwertbaren StudentInnen, deren Abschluß den Anforderungen unseres Wirtschaftssystems zu entsprechen hat. Das zugrundeliegende Problem ist jedoch nicht die große Zahl von StudentInnen, sondern die zunehmende Perspektivlosigkeit für die Jugend im Bildungs- und Ausbildungssystem. Viele studieren mit der Hoffnung auf größere Chancen bei der Jobsuche. Angesichts fehlender Ausbildungs- und Arbeitsplätze kein Wunder.

In der Zukunft muß die Hochschulzeit eine andere Wertigkeit bekommen. Diese Zeit ist als Chance zu verstehen, neugierig zu sein, sich auszuprobieren und wissenschaftlich zu arbeiten. Dann könnten die Hochschulen wieder Orte werden, von denen Innovationen in Wissenschaft und Gesellschaft ausgehen. Die soziale Absicherung aller StudentInnen ist dabei eine Grundvoraussetzung.

Von den StudentInnen mehr geistige Beweglichkeit, Forscherdrang und Engagement zu fordern, ohne all die unbeweglichen, festgefahrenen Strukturen zu ändern, ist widersinnig. Mehr Eigenverantwortung für das Studium und den Studienablauf kann doch nicht durch eine verordnete Verkürzung der Regelstudienzeiten, durch Androhung von Zwangsexmatrikulationen erreicht werden.

Aufgebrochen werden muß das Berufsbeamtentum der ProfessorInnen und die Stellenvergabe auf Lebenszeit. Vielleicht entwickeln sie dann etwas mehr Ehrgeiz bei ihrer Lehrtätigkeit. Mit dem gleichen finanziellen Aufwand ließen sich so mehr DozentInnen beschäftigen. Auch sollte man ihnen eine Ausbildung in Didaktik und Methodik angedeihen lassen. Die bloße Festschreibung von zu leistenden Pflichtstunden in der Lehre reicht da nicht. In der akademischen Laufbahn sollte die geleistete Lehrtätigkeit die gleiche Wertigkeit genießen wie wissenschaftliche Veröffentlichungen. Studium, Lehre und Forschung müssen an der Uni der Zukunft wieder eine Einheit bilden. Außerdem sind flexiblere Studienabläufe, vertikal wie horizontal, mit der Möglichkeit fächerübergreifenden Arbeitens notwendig.

Engagement im Hochschulbereich endet für viele StudentInnen heute da, wo die professorale Mehrheit festgeschrieben ist. Und das ist seit dem Verfassungsgerichtsurteil bekanntlich in allen entscheidenden Gremien so. Hier ist ebenfalls eine Änderung fällig, damit diese Mehrheiten nicht weiterhin Reformen verhindern, wenn sie ihre Pfründen bedroht sehen.

Um vernünftige Studienbedingungen zu gewährleisten, müssen im übrigen die Bibliotheken nachts und am Wochenende geöffnet haben und die Unterrichtszeiten den sozialen Bedürfnissen der Studierenden angepaßt werden.

Die Misere unseres Bildungssystems wird irgendwann auf diese Gesellschaft zurückfallen. Und dann, stellt euch vor, gibt es keine Universitäten mehr – und keiner vermißt sie.

Frank Seyffert ist Sprecher der StudentInnen- Vertretung an der Humboldt-Uni.