Prêt-à-porter
: Mit einem Plopp! statt einem Päng!

■ Die Pariser Herbstmodeschauen starteten mit Veloursflocken am Hintern bei Bertrand Maréchal und gemüsebeilagenmäßigen Models bei Dirk Bikkemberg

Bei Sonnenschein und freundlichen 25 Grad haben in Paris die Prêt-à-porter-Schauen für die Sommermode 1996 begonnen. Rund 1.500 Journalisten, 400 Fotografen, 800 Einkäufer und 200 Mannequins jagen zur Zeit im Schweinsgalopp durch Paris, um zu ihrer Modenschau zu gelangen. Bei 124 Präsentationen in acht Tagen kann man da leicht ins Schleudern kommen.

Ein Großteil der Designer ist inzwischen aus den unterirdischen Hallen des Caroussel du Louvre geflohen. „Das Caroussel erinnert mich stark an die Volleyballhallen, die ich in der Schule so gehaßt habe“, erklärte Christian Lacroix und sprach damit sämtlichen Beteiligten ganz aus dem Herzen.

Ich wünschte, ich könnte berichten, daß die Schauen mit einem „Päng!“ angefangen haben, aber leider war es nur ein „Plopp!“. Bertrand Maréchal zeigte seine Kollektion in einer Ladenpassage im 10. Arrondissement, in der hauptsächlich pakistanische Gewürzhändler ihre Waren verkaufen. Das paßte insofern, als Maréchal selbst wie ein Verkäufer aussieht.

Es war eine ziemlich ärmliche Passage. Über den Geschäften hingen die Familien der Händler aus den Fenstern ihrer Wohnverschläge und amüsierten sich köstlich über das Spektakel. Alle zehn Minuten wurde die Anlage aufgedreht und eine, hmm, Dame plärrte aus dem Lautsprecher: „I am the diva! I like painting my fingernails. It exites me! I like creditcards too. Yeahh!“ Da wäre ich am liebsten schon nach Hause gegangen.

Eine Stunde später war es dann soweit: Aufgemotzt wie Zirkuspferde, mit Federn und Puscheln im aufgetürmten Haar, konnte man einige Mannequins begutachten, die haargenau so aussahen, wie man sich die Sängerin vorstellte. Die Slum-Version der Diva spazierte in einem superengen Anzug aus weißem, glänzendem Jersey durch die Passage, einen Mantel auf falschem weißen Pelz über den Boden hinter sich her schleifend. So dünn war der Jersey eines hochgeschlossenen Kleides mit 3/4-Ärmeln, daß man praktischerweise hindurchsehen konnte, mit Verloursflocken auf der Brust, dem Bauchnabel, der Scham und rund um die Hinterbacken.

Die übrigen Kleider hatten Schlitze bis zur unteren Schamhaargrenze und Ausschnitte bis zur oberen und waren durch die Bank weg aus hautengem glänzendem Jersey oder Satin in schwarz, weiß oder gold. Maréchal hatte ausschließlich schwarze Models engagiert, was den pakistanischen Händlerstöchtern, die es sich mit großen Eistüten an ihren Fenstern gemütlich gemacht hatten, mehr als deutlich zeigte, wie weit sie es in dieser Welt bringen würden: exakt bis zum Bimbo.

Dirk Bikkembergs Kollektion war auf eine merkwürdige Art häßlich. Neben schwarz, weiß, grau und dunkelblau waren seine Kleider und Anzüge grün – in allen Schattierungen. Aber es lag nicht nur an dem vielen Grün, das die Models in eine Art Gemüsebeilage verwandelte. Es schien, als hätte er sich nicht so recht vom Winter trennen mögen. Zu weiten grünen Hosen aus einem dünnen Wollbouclé trugen seine Mannequins enge Pullover aus dicker Wolle. Die Gürtel, die in diesem Winter praktisch um jedes Jackett geschlungen werden, lagen auf den nackten Bäuchen der Mannequins wie Taillenkettchen, was, gelinde gesagt, seltsam aussah.

Bikkemberg mischte die Materialien, ohne daß sie recht zusammenfinden wollten. So war ein schmal geschnittener Anzug vorne aus schwarzem Leder und hinten aus einem grobmaschigen Netzstoff. Über die schmale dunkelblaue Hose eines anderen Anzugs schwang eine grasgrüne weite Chiffonhose. Ein anderer dunkler Anzug war über und über mit weißen Plastikblumen übersät.

Das sah aus, als hätte sich ein Schizophrener für seine fünf verschiedenen Persönlichkeiten einen Anzug schneidern lassen. Anja Seeliger