piwik no script img

Mit Genen gut verdienen

Genforschung schafft Arbeitsplätze für AkademikerInnen  ■ Von Christian Arns

„Genforschung ist ein weltweit expandierender Markt, auch in Berlin wächst die Nachfrage.“ Sorgen um seine AbsolventInnen macht sich Otto Schieder daher nicht: „Bisher sind noch alle Diplomanden versorgt“, so der Professor am Institut für Angewandte Genetik der Freien Universität.

Mit gentechnologischen Methoden will Schieder das Problem der Unternährung in Afrika, Asien und Lateinamerika lösen. In diesen Ländern wüchsen zwar viele Hülsenfrüchte wie Bohnen und Erbsen, doch das darin enthaltene, für die menschliche Ernährung extrem wichtige Eiweiß sei „von sehr schlechter Qualität“.

Man will den Pflanzen nun andere Gene einsetzen, damit sie künftig hochwertiges Eiweiß produzieren. An dieser Manipulation wird bereits gearbeitet, wenngleich noch im abgeschirmten Treibhaus. „Im Grunde genommen sind für uns gar nicht alle möglichen Folgen vollständig vorhersehbar“, räumt der Gentechniker ein. Bis zur praktischen Anwendung sei es noch ein langer Weg, falls er denn überhaupt eingeschlagen werde. Auch Freilandversuche, bei denen genmanipulierte Pflanzen aus dem geschlossenen System in die Natur gesetzt werden, unternimmt das FU-Institut noch nicht. Das aber tat das Institut für Genbiologische Forschung Berlin (IGF), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und die steht nun vor dem Aus: Die Gründer und Gesellschafter, der Weddinger Konzern Schering und das Land Berlin, wollen nach den von Anfang an geplanten zehn Jahren nicht mehr weitermachen. „Das Modellvorhaben ist beendet“, sagt die Schering- Sprecherin Christine Thor-McCarthy. Es habe keinen Sinn mehr, seit ihr Unternehmen den Pflanzenschutz ausgliederte und sich selbst auf den Pharmabereich konzentrierte.

Die Arbeitslosigkeit brauchen GentechnikerInnen dennoch nicht zu fürchten, denn gerade in Berlin steigt die Zahl der Institute. Das gilt auch für die Humangenetik, die zum Beispiel in Buch mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin eine Einrichtung hat, um die sich zahlreiche kleinere Firmen angesiedelt haben. Dort wird in der Tat daran gearbeitet, manipulierte Gene zu implantieren. Weltweit herrsche jedoch ein breiter Konsens, daß es keine Manipulation des ungeborenen Lebens geben dürfe, versichert Heidemarie Neitzel, Privatdozentin am FU-Institut für Humangenetik. Obwohl dieser Konsens auch von den WissenschaftlerInnen mitgetragen werde, so die Leiterin der zytogenetischen Diagnostik, sei das Bild der Humangenetik in der Öffentlichkeit sehr schlecht. „Dabei ist sie aus dem Bereich der Diagnose gar nicht mehr wegzudenken.“ Vor allem gelte es, Krankheiten mit Hilfe genetischer Kenntnisse exakt zu bestimmen, „danach folgt im Regelfall eine ganz konventionelle Therapie“.

Ein Beispiel sei das Down-Syndrom, im Volksmund auch „Mongolismus“ genannt. Die auf einer Genommutation beruhende Krankheit könne mit Sicherheit bei einem Neugeborenen nur mittels genetischer Tests diagnostiziert werden. Geheilt werden könne die Krankheit nicht, so Heidemarie Neitzel, wohl aber könne der Muskelschlaffheit oder der geringeren Infektabwehr entgegengewirkt werden. Der deutsche Beitrag zu Erkenntnissen in der Genforschung sei noch immer minimal, bedauert Neitzel. Innerhalb dieser geringen Aktivitäten nehme Berlin aber zunehmend eine Vorreiterstellung ein. Und weiterer Bedarf sei vorhanden, meint die Biologin. So sei allein durch die „Diagnose und konventionelle Therapie“ der häufigsten genetischen Erbkrankheit, der Zystischen Fibrose, die Lebenserwartung auf ein Durchschnittsalter von etwa 20 Jahren gesteigert worden, „vor 25 Jahren starben rund 80 Prozent noch im ersten Lebensjahr“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen