„Jede Armee wollte ihre Minen retten“

■ Christian Salazar-Volkmann von Unicef Deutschland befürwortet das Scheitern der Wiener Konferenz. In Deutschland werden täglich eine Million Mark für Minen ausgegeben

taz: Die Wiener Minenkonferenz ist gescheitert. Ist das ein Desaster?

Salazar-Volkmann: Nein, wir finden es richtig gut, daß die Minenkonferenz gescheitert ist. Es ist ehrlicher und besser, daß die Konferenz scheitert, als daß man irgendwelche nichtssagenden Erklärungen hat. Sonst lehnen sich danach alle zurück – außer denjenigen, die Minen exportieren wollen. Wenn so ein Dokument nur sehr wenig verbietet, heißt das zugleich: Alles andere ist erlaubt. Es würde der Rüstungsindustrie klare Vorgaben geben, worauf sie sich in den nächsten Jahren einstellen kann.

Erstaunt Sie das Ergebnis?

Nein. Der Verlauf der Konferenz hat bereits die bescheidensten Erwartungen ad absurdum geführt. Letztendlich ging die Diskussion etwa darüber, wieviel Gramm Metall in einer Mine sein müssen, damit sie als detektierbar gilt und somit nicht verboten wird. Das Problem war: Es sind letztendlich nur militärische Interessen verhandelt worden. Jede Armee wollte ihre Minen retten. Gestritten wurde über die technischen Standards. Der Westen wollte seinen Standard zur Norm machen. Die südlichen Länder haben gesagt: Nein, dann müssen wir ja unsere Dinger verschrotten und vielleicht sogar noch die neuen bei euch kaufen. Das wurde nicht so explizit gesagt, aber das stand dahinter. Solange auf der militärischen Ebene diskutiert wird, werden diese Konferenzen für die betroffene Zivilbevölkerung nicht viel bringen. Mitarbeiter von Nothilfeinstitutionen, also Leute, die mit den Folgen von Minen zu tun haben, müssen das Sagen in den Verhandlungen bekommen.

Hat es wirtschaftliche Ursachen, daß die Industrieländer nicht die Wünsche der Billigminenproduzenten akzeptierten?

Darüber kann man nur spekulieren. Eine kürzlich erschienene Studie über die deutsche Minenindustrie belegt, daß in den vergangenen Jahren eine Großzahl von Patenten angemeldet worden ist. Hunderte von Millionen Mark sind in die Forschung und Entwicklung gesteckt worden.

Stehen sich Industrie- und Entwicklungsländer als Blöcke gegenüber?

Nein, jede Nation hat auch ihre eigenen Interessen. Zum Beispiel Polen oder Kuba wollen aufgrund ihrer historischen oder gegenwärtigen Erfahrung nicht auf Minen als Defensivinstrumente verzichten.

Gibt es Befürworterländer für eine Totalabschaffung von Minen?

Ja, zum Beispiel hat Belgien seine Minenbestände verschrottet. Costa Rica ist für eine Totalabschaffung. Aber das sind nicht die großen Spieler, die politisch und militärisch das Sagen haben.

Wie schätzen Sie die deutsche Position ein?

Leute vom Auswärtigen Amt sehen durchaus die humanitäre Problematik. Aber solange in Deutschland am Tag eine Million Mark an Steuergeldern für Minen ausgegeben werden, hat eine Delegation sehr schlechte Karten, wenn sie fordert, daß andere ihre Minen abschaffen sollen. Die Lösung liegt für uns in nationalen Verboten: Das Geld für die Minenentwicklung in die Verschrottung, Räumung und Opferrehabilitation stecken. Dann kann man von anderen dasselbe fordern.

Immerhin: Es gibt in den Fraktionen der deutschen Parteien wohl niemanden mehr, der nicht sagen würde, Minen sind vor allem ein humanitäres Problem. Das hätte vor zwei Jahren noch niemand so deutlich gesagt.

Wie wollen Sie weiterarbeiten?

Wir können zum Beispiel mit den Hunderttausenden von Unterschriften, die verschiedene Organisationen gesammelt haben, zum Petitionsausschuß des Bundestages gehen und so eine Neuauflage der Minendiskussion erreichen. Vieles wird Kleinarbeit sein. Wir müssen mit den einzelnen Parlamentariern sprechen, damit sie in den Ausschüssen die humanitären Gesichtspunkte stärker gewichten. Interview: Annette Jensen