Lehre aus der Glasfaser

Fernübertragung von Seminaren statt persönlichem Kontakt  ■ Von Christian Arns

Gebannt lauschen die Studierenden im Hörsaal der Technischen Universität, was die Professorin soeben erklärt. „Moment“, bremst sie ein Student, „das habe ich nicht verstanden.“ Seine Frage möchte er bitte ins Mikrofon stellen, wird er aufgefordert, sonst sei er kaum zu verstehen. Schuld daran ist nicht die Akustik im Saal, sondern die Datenübertragung. Denn die Dozentin lehrt in Frankfurt an der Oder: Ihre Vorlesung wird in Wort und Bild über Glasfaserleitungen nach Berlin geschickt.

Noch ist diese Szene eine Zukunftsvision, doch an der Umsetzung des „Virtual College“ wird bereits gearbeitet. Freie und Technische Universität wollen zusammen mit der Frankfurter Uni Vorlesungen austauschen, auch Cotbus soll integriert werden. „Der Witz ist, daß die Veranstaltung nicht nur übertragen wird, sondern daß die Studierenden in der anderen Stadt aktiv an der Vorlesung teilnehmen können“, erklärt Michael Wolff. Der Wirtschaftsingenieur leitet die Geschäftsstelle der „Tubkom“, dem Forschungsschwerpunkt TU-Breitband-Kommunikationssystem. Seit rund sechs Jahren verfeinert man hier die technischen Möglichkeiten und entwickelt Lösungen, die Systeme für verschiedene Disziplinen zu nutzen.

Das „Virtual College“ ist eines der Projekte, durch das die zunächst übertragenen Vorlesungen später auch an den Großrechnern der beteiligten Universitäten abrufbar sein sollen. Wer eine Veranstaltung verpaßt hat, wählt sich vom eigenen Computer ein und hört sich alles zu Hause an.

„Sicher die Hälfte der Studenten hat inzwischen einen Rechner“, vermutet Wolff, „die brauchen nur noch eine Audio- und Videokarte, dann haben sie einen Multimedia-Arbeitsplatz.“ Doch die Ideen gehen noch weiter: Als nächstes sollen Wohnheime durch Breitbandkabel mit der Universität verbunden werden.

Nicht live, dafür auf die individuelle Lerngeschwindigkeit abgestimmt sind die Multimedia-Programme, an denen zum Beispiel das Rechenzentrum des FU-Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften arbeitet. Ein Netz soll ermöglichen, daß sich die Lernenden während der Arbeit mit anderen austauschen können.

Immer stärker wird bereits der studentische Alltag vom Computer geprägt. Studierende aller an Tubkom beteiligten Fachbereiche sind in die Arbeit eingebunden, was deren Berufsaussichten nach Einschätzung von Michael Wolff erheblich steigert: „Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist die, die überhaupt noch überdurchschnittliche Wachstumsraten verspricht.“

Damit können keineswegs nur InformatikerInnen auf Jobs hoffen, sondern AkademikerInnen praktisch aller Bereiche, die moderne Computertechnik für ihre spezielle Disziplin nutzbar machen können.

So arbeiten bereits BauingenieurInnen in verschiedenen Städten gemeinsam und zeitgleich an ihren Entwürfen. „Simultanes Engineering“ heißt diese Arbeitsweise, bei der die TeilnehmerInnen an unterschiedlichen Orten per digitaler Konferenz diskutieren und kontruieren.