Freiwillig in den Knast

■ Vorsitzender der prokurdischen Partei DDP will „ein Zeichen setzen“

Bonn (taz) – Er weiß, daß mindestens 58 Monate Gefängnis auf ihn warten. Dennoch kehrt Ibrahim Aksoy heute in die Türkei zurück, wo er wahrscheinlich am Flughafen verhaftet wird. Der Vorsitzende der prokurdischen Partei der Demokratischen Erneuerung (DDP) und Mitglied im gemischten parlamentarischen Ausschuß EU-Türkei ist wegen Verstößen gegen den berüchtigten Separatismus-Artikel 8 des „Anti- Terror-Gesetzes“ verurteilt worden. Weitere, rund 40 Verfahren sollen gegen das ehemalige Mitglied des türkischen Parlaments anhängig sein.

„Ich habe weder geklaut, noch Steuern hinterzogen oder Menschen Gewalt angetan, sondern mich immer mit friedlichen Mitteln für Demokratie und Menschenrechte in der Türkei eingesetzt“, sagte Aksoy. „Dafür soll ich bestraft werden.“

Ibrahim Aksoy hat während einer Europareise von der ihm drohenden Haftstrafe erfahren, dennoch will er zurückkehren, um „ein Zeichen zu setzen“. Er weiß, was ihn erwartet. Schon einmal wurde er im Februar 1985 verhaftet und schwer gefoltert: „Aber sie werden nur meinen Körper verhaften können, meine Gedanken bleiben frei.“

Aksoy wird in Begleitung von dänischen Menschenrechtlern und der bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Angelika Beer nach Ankara fliegen. Beer forderte die Bundesregierung auf, mit ihrer Politik nicht länger „die reformunwilligen Kräfte in der Türkei“ zu unterstützen. Die neue Minderheitenregierung, die sogar das Amt des Staatsministers für Menschenrechtsfragen abgeschafft habe, zeige, daß „der Demokratisierungsprozeß in der Türkei nicht still steht, sondern im Rückschritt begriffen ist“.

Aksoys Partei setzt sich für ein Ende des Krieges in Kurdistan und für die Wahrung der Menschenrechte in der Türkei ein. Nachdem die prokurdische DEP-Partei 1994 beschlossen hatte, nicht an den Kommunalwahlen teilzunehmen, traten Aksoy und seine politischen Freunde aus und gründeten ein Jahr später die DDP. Sie setzen sich dezidiert und ausschließlich für eine politische Lösung der Kurdenfrage ein. Karin Nink