Wenn der Postmann selbst entsaftet

■ USA-Teleshopping setzt auf Sympathie statt auf kunstvolle Werbe-Ästhetik

Seit zwei Jahren ist Bob mit seiner Commercial-Show über fantastische neue Haushaltsgeräte auf Sendung. Eigentlich paßt er nicht in das von Serien, Talk und Entertainment geprägte US-Fernsehen: Seine Zähne stehen etwas schief, der Bauchansatz des Mittvierzigers zeichnet sich deutlich unter dem gelben Pullunder ab. Mit seiner Kassenbrille und dem ein wenig zu lang über die Ohren hängenden dunkelbraunen Seitenscheitel erinnert er eher an einen Schalterbeamten bei der Post als an große TV-Showmaster. Aber Bob hat Erfolg wie sonst nur Ophrah Winfrey, David Letterman oder Larry King. Bald 30 Millionen Zuschauer sehen seine mehrmals täglich wiederholte Fernsehsendung, in der er die neuesten Produkte für Heim und Garten vorstellt.

Bob ist der Star unter den Moderatoren des Homeshopping-Kanals QVC, seine Spezialität sind Küchengeräte. Wenn er die Vorzüge eines Entsafters anpreist oder mit seinem Gehilfen Jack auf dem Spezial-Wok ein leckeres Schnellgericht bruzzelt, ist er so all american wie sonst nur Präsidentschaftskandidaten. Smart und bürgernah. Gäste wie ein ehemaliger Weltmeister im Bodybuilding oder die Michael-Jackson-Schwester La Toyah werden mit einem sportsmännischen Handschlag begrüßt, bevor sie ihr Fitneßprogramm vorstellen, das man als Videocassette per Telefon bestellen kann.

Für La Toyahs Auftritt gibt es Szenenapplaus, obwohl sie nicht einmal gesungen hat, sondern nur eine halbe Stunde lang auf einem flachen Plastikkasten Aerobic-gewandert ist. Dann bedankt sie sich bei Bob dafür, daß sie in seiner wunderbaren Show sein durfte und verabschiedet sich mit Kußhand von den etwa 60 begeistert klatschenden ZuschauerInnen im Studio. Inzwischen wirbt ein neuer Gast an der improvisierten Kochtheke für ein zehnteiliges Messer- Set, indem er auf Bobs Geheiß reife Tomaten spritzerfrei filetiert.

In den USA gehört Teleshopping zum Alltag, und vielleicht ist dies das Geheimnis hinter Bobs Erfolg. Wie in den Zeiten der Tupperparties Mitte der siebziger Jahre hat er es geschafft, eine Gemeinde um sich zu scharen, deren Zusammenhalt auf dem Kaufwillen beruht. Zwar nur virtuell über den Äther, dafür aber millionenfach. Wo Fernsehwerbung längst zum preisgekrönten Designprodukt, Videoclip und Kunstwerk mutiert ist, wirken die Teleshops bodenständig wie Reality-TV. Sie stehen dem Konsumverhalten sehr viel näher als Beck's-Bier-Schiffe, die zu Rockmusik um die Welt segeln. Wer den Spezial-Wok bestellt, kauft immer auch ein stückweit, weil er (oder zumeist sie) in Bob nicht den Fachmann, sondern einen vertrauten Nachbarn erkennt. Und dessen Ausführungen zu Schonkost und Gardinenpflege sind in der Regel charmanter als jede muffelige Kundenberatung in einem anonymen Kaufhaus.

Doch nicht jedes Shopping- Programm spekuliert auf die Vorstellung von der kleinbürgerlichen Glücksgemeinschaft. Commercials zu Schmuckwaren, die bei dem Sender „Value Vision“ einen großen Anteil von Sendezeit und letztlich Umsatz (siehe Kasten unten) ausmachen, beziehen ihre Popularität viel mehr aus dem Glamour, wenn bekannte Serienstars wie Anita Oxenberg vom „Denver Clan“ goldkettenbehängt über das entsprechende Sortiment interviewt werden. Ein bißchen Quelle- Katalog, ein bißchen VIP-Schaukel. Und das hinterläßt einen nachhaltigeren Eindruck als der Mann vor dem Bilka-Supermarkt, der unentwegt PassantInnen davon zu überzeugen versucht, daß die Mikrozelle in seinem Digitalwecker ein Leben lang hält. Harald Fricke