■ USA: Farrakhan ruft zum Marsch der schwarzen Männer: Wie ein genialer Kollaborateur
Verschwörungstheorien stehen derzeit in den USA hoch im Kurs: Christliche Fundamentalisten glauben an eine Verschwörung der Schwulen und Lesben, weiße Waffenfanatiker an eine Konspiration von UNO, FBI und Umweltschützern; Newt Gingrich erweckt gern den Eindruck, er rette das Land gerade vor der Verschwörung der 68er Generation. Und Louis Farrakhan predigt nun schon seit Jahren die Verschwörung der „weißen Teufel“ gegen die Schwarzen.
Angenommen, es gäbe die von Farrakhan beschworene Konspiration tatsächlich, so hätten Schwarze allen Grund, ihn selbst als genialen Kollaborateur in dieser weißen Konspiration zu sehen. Denn Farrakhan segnet jene Fakten ab, die derzeit die „Republikaner“ im Kongreß schaffen: Er entläßt mit seiner Propaganda eines schwarzen Separatismus und eines autarken „Selbsthilfe-Kapitalismus“ den Staat aus der politischen Verantwortung.
Damit nicht genug, manifestiert er das stereotype Bild des schwarzen Mannes, das er zu bekämpfen vorgibt. Dieses Bild wird tagtäglich durch die Berichterstattung über schwarze Kriminalität neu geschaffen und hat in den letzten Monaten dank einiger Bücher über die angebliche genetische oder kulturelle Inferiorität der Afro-Amerikaner wieder einmal den Anschein der Wissenschaftlichkeit erhalten. In dieses politische Klima spaziert nun Louis Farrakhan als selbsternannter Retter seiner „Brüder und Schwestern“, und fordert Tausende von schwarzen Männern auf, vor den Kameras sämtlicher Fernsehstationen „für ihre Sünden zu büßen“. Wenn einer Grund zur öffentlichen Buße hat, dann Farrakhan für seine antisemitischen, homophobischen und sexistischen Reden.
Läuft der „Million Men March“ wie geplant, dann wird er ein voyeuristischer Leckerbissen für alle jene Weißen, die sich um die Diskussion gesamtgesellschaftlicher Problemen herumdrücken, indem sie sie auf Schwarze projizieren. Frauenfeindlichkeit ist ein gutes Beispiel: Das Thema wurde in den letzten Jahren immer erst dann einer breiteren Debatte für würdig befunden, wenn ein schwarzer Mann auf der Anklagebank saß – sei es das Thema „sexuelle Belästigung“ im Fall des Verfassungsrichters Clarence Thomas, das Thema „Vergewaltigung“ im Fall des Boxers Mike Tyson oder das Thema „Gewalt in der Ehe“ im Fall O. J. Simpson. Armut und Drogenkriminalität werden längst automatisch mit Bildern junger schwarzer Männer und Frauen assoziiert. Der „Million Men March“ wird an dieser fatalen Sichtweise nichts ändern. Andrea Böhm, Washington
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen