Persilschein für die RWE

Weisung von Angela Merkel: Das Land Hessen darf nicht prüfen, ob das AKW Biblis noch sicher ist, wenn der Schalterraum brennt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Bundesumweltministerin Angela Merkel hat dem Land Hessen untersagt, auch nur zu überprüfen, ob und wie die Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) den Brandschutz im AKW Biblis A verbessert haben. Die Nachfolgerin von Klaus Töpfer hat damit die Atomexperten im hessischen Umweltministerium zum Heulen gebracht. Denn nach einem (vertuschten) Störfall Ende der 80er Jahre waren von der Atomaufsicht des Landes – im Einverständnis mit dem Bundesumweltministerium – von der Betreibergesellschaft umfangreiche Nachrüstungsmaßnahmen gefordert worden. Daß Merkel der neuen hessischen Umweltministerin Margarethe Nimsch (Bündnisgrüne) jetzt verbietet, den Energiekonzern zum Nachweis zu verpflichen, daß seine Umbauten die Gefahr einer möglichen Kernschmelze tatsächlich ausschließen, hält man in Wiesbaden für einen „schlechten Witz“.

Nimsch erklärte denn auch unmißverständlich, daß Biblis A stillgelegt bleibe. Das AKW war von Ex-Umweltministerin Iris Blaul (Bündnisgrüne) im Juli 1995 „einstweilig stillgelegt“ worden. An Merkel wurden seinerzeit drei Stillegungsverfügungen „zur Kenntnisnahme“ übersandt, wovon eine den „mangelhaften Brandschutz in der leittechnischen Schaltzentrale“ des AKW betraf. Daß diese Schaltzentrale Defizite aufweist, hatte schon der CDU Umweltminister Karlheinz Weimar festgestellt. Weimar verfügte diverse Nachrüstungen, die bis zum Jahreswechsel realisiert werden sollten. Weil das nicht der Fall war, hatte bereits Ex-Umweltminister Joschka Fischer (Bündnisgrüne) versucht, daß AKW stillzulegen – er scheiterte an Klaus Töpfer.

Weil Blaul im Juli 1995 gleich mit drei Stillegungsverfügungen die Reaktorsicherheitskommission im Bundesumweltministerium montelang beschäftigte, blieb Block A bis heute vom Netz. Mit ihrer bundesaufsichtlichen Weisung hat Merkel allerdings schon klargestellt, wohin die Reise (wieder) gehen wird: Freispruch von RWE – trotz unüberprüfter Nachrüstungsmaßnahmen in der Schaltzentrale, trotz weiterhin fehlender Genehmigungen für die bestehende Löschanlage im Rangierverteilerraum und trotz der nicht einmal eingeleiteten Sicherungsmaßnahmen gegen Sabotage. Auch die schon von Weimar verlangte verbunkerte Notstandswarte zur Notabschaltung gibt es nicht. Sie soll wohl auch nie gebaut werden.

Doch Hessens Umweltministerin besteht darauf, daß die RWE bisher nicht nachgewiesen haben, ob ihre Nachrüstungen im Rangierverteiler bei Bränden den Ausfall dringend benötigter Sicherheitssysteme tatsächlich verhindern können. Der Nachweis, so Nimsch, sei insbesondere deshalb erforderlich, weil unabhängige Gutachter zu der Auffassung gelangt seien, daß Brände nach wenigen Minuten zum „Verlust der Steuerungsfähigkeit des Reaktors“ führen könnten. Nimsch kann sich Angela Merkels Weisung nur damit erklären, „daß die Bonner Kollegin offenbar befürchtet, daß RWE der Nachweis mißlingen könnte“.