„Sein Antisemitismus, sein Geplapper...“

■ Vom „Gefasel der Sache der schwarzen Männer“ will Prof. Adams nichts wissen

Professor Russell Adams ist Leiter des Fachbereichs für Afroamerikanische Studien an der Howard University in Washington, einer der ältesten schwarzen Universitäten des Landes. Die taz sprach mit ihm über seine Vorbehalte gegen den „Million Men March“.

taz: Professor Adams, gemäß der Aufforderung von Louis Farrakhan sollen Sie heute Ihre Seminarräume in der Universität schließen und am Marsch der schwarzen Männer in Washington teilnehmen. Was werden Sie tun?

Adams: Ich werde wie jeden Montag seit 23 Jahren meine Lehrveranstaltungen abhalten – vermutlich überwiegend vor Studentinnen, denn Frauen sollen nach Meinung Farrakhans heute ja zu Hause bleiben oder am Straßenrand zuschauen. Diese Art von Diskriminierung ist einer von vielen Punkten, die mich an dieser Veranstaltung empören.

Gab es größere Debatten zwischen Ihnen und Ihren StudentInnen über diese Demonstration und ihre Organisatoren?

Weniger, als man vermuten würde. Viele wollen hingehen, weil der Bruder oder der Freund auch hingeht oder weil der Vater extra aus dem Süden angereist kommt. Andere sind schlicht von der Symbolträchtigkeit dieser Veranstaltung fasziniert. Die wollen dabeisein, wenn eine Million Menschen zusammenkommen, die genauso aussehen wie sie.

Was stört Sie außer der Diskriminierung von Frauen an dieser Veranstaltung?

Zum einen Farrakhans Antisemitismus. Zweitens stört mich die falsche soziologische Propaganda. Mit diesem Marsch wird so getan, als handele es sich bei der schwarzen community in den USA um die Dimension einer Kleinstadt, deren Probleme durch mehr ehrenamtliche Engagement in der Nachbarschaft gelöst werden könnte. Das ist Geplapper. Wir sind 32 Millionen Menschen in diesem Land. Es gibt keine private Initiative, die bei der Lösung unserer Probleme die Rolle des Staates ersetzen könnte. Louis Farrakhan möchte diesen Eindruck mit seiner Rhetorik von schwarzer Autarkie aber gerne erwecken.

Drittens erschreckt mich die politische Naivität dieser Aktion. Da wird noch nicht einmal der Versuch unternommen, sich bei den Kongreßmitgliedern Gehör zu verschaffen. Statt dessen faselt man von „der Sache der schwarzen Männer“, die in Zukunft aus dem Herzen heraus die Probleme der Schwarzen angehen wollen. Herrgott, Washington ist der letzte Ort, wo man nach Herz suchen soll.

Farrakhan entpolitisiert also nach Ihrer Meinung das Potential für eine neue schwarze Protestbewegung...

Natürlich. Zumal Farrakhan keine Koalitionen mit anderen ethnischen Gruppen eingehen will. Die Republikaner haben von dem doch letztlich nichts zu fürchten. Das einzige, was die am Dienstag morgen stört, ist der niedergetrampelte Rasen vor dem Kapitol.

Wie beurteilen Sie die Berichterstattung über diese Massendemonstration in den Medien des weißen Mainstreams?

Da ist zum einen natürlich die uralte Paranoia vor jeder größeren Ansammlung schwarzer Männer – dazu noch mit einer Tagesordnung, die nicht von Weißen kontrolliert wird.

Vielleicht haben die weißen Medien die Zahl derjenigen Schwarzen unterschätzt, die mittlerweile verzweifelt und dumm genug sind, Farrakhan hinterherzulaufen. Gleichzeitig ignorieren sie nach wie vor die Diversität innerhalb der schwarzen community, die einen Farrakhan wieder auf seine natürliche Größe stutzt.

Es gibt sechzigtausend schwarze Geistliche, mehrheitlich protestantische, mit einem enormen politischen und ökonomischen Einfluß in diesem Land. Und die stehen nicht hinter Farrakhan.

Wie sehr hat dieser „Marsch einer Million Männer“ durch den Konflikt zwischen Schwarzen und Weißen wegen des Urteils im Simpson-Prozeß an Bedeutung gewonnen?

Nicht besonders – auch wenn viele Weiße das anders sehen. Aber die meisten Weißen verstehen auch nicht, daß beide Ereignisse – egal, wie man im einzelnen zu ihnen steht – eine zentrale message senden: Der Rassismus ist nicht vorbei, nur weil Weiße ihn für überwunden glauben. Der Rassismus ist nach wie vor Bestandteil unseres Lebens. Er besteht aus ökonomischer und politischer Diskriminierung – und aus zermürbenden Alltagserlebnissen.

Was glauben Sie zum Beispiel, wie oft Taxifahrer an mir vorbeifahren und den nächsten weißen Fahrgast, der gerade mal zwanzig Meter weiter entfernt steht, mitnehmen. Das ist mir erst gestern wieder zweimal passiert. Ich kam gerade von einer Diskussionsveranstaltung über Erziehung zur Toleranz.