Harmonie und große Worte

■ Die Schimmel-Debatte blieb nicht ohne Ergebnis

Der letzte Protest verhallte vor der Paulskirche. Drinnen übte man sich in Harmonie und großen Worten: Annemarie Schimmel zitierte Goethe und Ibn Khaldun. Roman Herzog referierte über „kulturübergreifende Zusammenarbeit der Aufklärer“.

Schimmels KritikerInnen werden zu Recht monieren, daß der Orientalistin die Verurteilung des Mordaufrufs gegen Salman Rushdie eher wie eine Pflichtübung über die Lippen ging. Und sie werden kritisieren, daß der Bundespräsident zwar ein persönliches Plädoyer für interkulturelle Verständigung gehalten hat, daß Schimmels Lebenswerk dabei aber recht kurz kam. Schimmels KontrahentInnen werden aber auch eingestehen müssen, daß sie für die erlittene Niederlage Mitverantwortung tragen. Die Kampagne wurde von Leuten wie Alice Schwarzer, Günter Wallraff und Ralph Giordano bestimmt und wirkte etwas zu aufgeregt, um die Mehrheit der PreisverleiherInnen umzustimmen. Der Vorwurf, Schimmel sei „Fundamentalistin“, war auch Schimmel-KritikerInnen zu platt. Das Schlagwort lieferte Herzog und Schimmel noch Argumente für ihre Reden. Der Bundespräsident pries die Preisträgerin als Bollwerk gegen alles Radikale, und Schimmel stilisierte die von ihr geliebten Mystiker zu „Kämpfern für soziale Gerechtigkeit“.

Was bleibt? Immerhin hat die Debatte Annemarie Schimmel dazu gedrängt, sich als Verfechterin der Menschenrechte darzustellen. Nun hat sie die Chance, dies in einschlägigen Diktaturen unter Beweis zu stellen. Vielleicht ist dann auch Roman Herzog dabei. Thomas Dreger