Eine Frau will nach oben

■ Unaufhaltsam girlie: Heike Makatsch und ihre "Heike Show" (20 Uhr, Viva)

Und noch 'ne Show mit Heike Makatsch. In der neuen „Heike Show“ des Pop-Spartenkanals Viva talkt die 24jährige in heimeliger Wohnzimmeratmosphäre mit Promis und „Helden des Alltags“. „Fernab der üblichen Sensationsgeilheit nur natürliche Statements hören“ will sie da. Auch Heike Makatsch ist eigentlich alles andere als eine Tele-Sensation – eine junge Frau ohne besondere Eigenschaften. Trotzdem moderiert sie inzwischen außer bei Viva auch „Bravo TV“ auf RTL 2, hat eine Rolle im nächsten Film von Detlev Buck und ziert neuerdings sogar die Titelseite von Zeitschriften für Frauen über 50. Wie kommt so eine eigentlich ins Fernsehen? Was kann sie, was Tausende anderer Twens nicht genausogut könnten?

Wahrscheinlich kam das so: Als Viva vor knapp zwei Jahren gegründet wurde, hatten Zeitgeistblätter gerade bei Douglas Coupland nachgelesen, daß die Jugend von heute einem Stamm namens „Generation X“ zuzuschlagen sei: Angeekelt von der saturierten Angepaßtheit ihrer Alt-68er-Eltern hatte diese Generation angeblich allem jugendlichen Idealismus den Abschiedskuß gegeben und machte nur noch, was ihr Spaß machte.

Bei Viva gab man sich daher Mühe, den Sender mit „Gen- X“-Prototypen zu besetzen, und deren Propheten waren Nils Bockelberg und Heike Makatsch, beide VJs der ersten Stunde. Bockelberg hat es bei Viva interessanterweise trotzdem nie über gelegentliche Auftritte als Moderator hinausgebracht – wahrscheinlich weil er seine Loser-Allüren zu sehr kultiviert hat, um auch anderswo sinnvoll eingesetzt zu werden: Mit seiner Band „Fritten & Bier“ verfaßte er Nonsens-Songs über „Stäbchen aus Fisch“ und inszenierte seine Auftritte als unterschwellige Publikumsverhöhnung.

Frau Makatsch hingegen saß zwei Jahre lang freundlich im Studio der Viva-Nachmittagsshow „Interaktiv“ und hörte mit derselben Engelsgeduld dem Gesabbel von deutschen Musikerdeppen oder den Problemchen von pubertierenden Zuschauern zu. Kein Wunder, daß Viva-Boß Dieter Gorny ihr „natürliches Einfühlungsvermögen“ lobte. „Kooperativ“ wäre vielleicht das bessere Wort: Sogar vor Drogen warnte sie jugendlichenfeundlich bei „Bravo TV“ – das wäre Nils Bockelberg nicht mal im Vollrausch eingefallen. Selbst die langweilige „Gala“ zur Verleihung der Viva-Video- Awards moderierte die Makatsch im Abendkleid und mit zäher Selbstüberwindung.

So wurde Heike Makatsch sozusagen das für Eltern akzeptable Antlitz der „Generation X“: Ihr schmales, leergeräumtes, aber irgendwie doch niedliches Gesicht, umrahmt vom jeweiligen Haarschntt der Saison, bietet den gängigen Zuschreibungen, die die Medien ihrer Generation gerne anhängen, keinen Widerstand. Sie ist das deutsche Girlie, das man offenbar nur in Paradoxa beschreiben kann: Emanzipiert, aber doch Frau, sexuell unverklemmt, aber kein Vamp, abgebrüht und ein bißchen rotzig, aber auch verletzlich, hedonistisches Wohlstandskind, aber trotzdem irgendwie konsumkritisch und so weiter und so fort.

Wer Heike Makatsch wirklich ist, werden wir wohl nie herausfinden: Im Fernsehen ist sie das Girlie, basta. Und wenn der Spiegel zum Roundtable über Girlies einlädt, geht sie halt da hin. Wäre sie in den fünfziger Jahren groß geworden, hätte sie vielleicht als die Inkarnation des „Fräuleinwunders“ gegolten, Ende der Sechziger eventuell als Blumenkind, in den Siebzigern gar als „die schöne Terrorbraut“. Heute repräsentiert sie eben die Generation X.

Und in Wirklichkeit? In Wirklichkeit ist sie wahrscheinlich einfach nur eine Heike. Tilman Baumgärtel