Laut Statistik: Markenfrust

Vor den Umsatz haben die Götter des Marketing die Umfrage gestellt. Keine Bevölkerungsgruppe wird deshalb zur Zeit im Auftrag von Industrie und Politik so genau untersucht wie die Alten. Nach der „7. integrierten Bevölkerungsschätzung BRD“ von 1992 wird die Zahl der über 60jährigen von derzeit rund einem Fünftel bis 2030 auf mehr als ein Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung steigen, die Zahl der über 80jährigen verdoppelt sich. Noch 1992 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes 72,6, bei Frauen 79 Jahre. Eine 60jährige Frau kann heute aber schon mit 24, ein 60jähriger Mann mit 19 zusätzlichen Lebensjahren rechnen.

Bis zum 65. Geburtstag gehen 30 bis 40 Prozent der Muskelkraft verloren. Durch Gelenkversteifung läßt die Beweglichkeit nach, Angst vor Stürzen ist die Folge. Ein Viertel aller Deutschen über 65 hat ein Hörproblem, die Größe der Pupillen hat sich um 45 Prozent verringert, die Iris reagiert langsamer.

Schon jetzt beträgt das freiverfügbare Einkommen der über 60jährigen 15 Milliarden Mark, ihre Kaufkraft ist dreimal so hoch wie die 20jähriger. Bis zum Jahr 2000 werden außerdem Lebensversicherungen in Höhe von insgesamt 350 Milliarden Mark frei. Zur interessanten Zielgruppe für die Wirtschaft macht die Alten zudem ein Wertesystem, das sich gegenüber früheren Generationen grundlegend gewandelt hat. Zwar rangieren Pflichterfüllung, Sparsamkeit und die durch Risikoscheu bedingte Abneigung gegen Kredite nach wie vor weit vorn. Gleichzeitig hat sich ein gesundes Selbstbewußtsein herausgebildet, das sich zum einen in Lebens- und Unternehmenslust, Genuß- und Konsumfreude und zum anderen in einem geringeren Mißtrauen gegenüber technischen Neuentwicklungen manifestiert.

Damit steigen auch die Ansprüche an Produkte und Dienstleistungen, der Wechsel von Marken und Einkaufsstätten ist kein Tabu mehr. So hat die Handelskette Spar im Firmenhauptsitz Amsterdam vergangenes Jahr ein neues Ladenkonzept entwickelt, dessen Gestaltung in vielen Punkten den Anforderungen älterer Menschen entspricht. Nach Realisierung eines Prototyp-Ladens steigerte Spar den Umsatz nach eigenen Angaben um 30 Prozent. Das Unternehmen zieht daraus den Schluß, daß von Verbesserungen für alte auch junge Menschen profitieren. sk