Eine Senatsbeamtin als RAF-Frau

■ Ein neues Buch über die Psychosekte VPM und deren rechte Verbindungen

„Es fing alles ganz harmlos an“, berichtet Monika Schipmann, bis vor kurzem Sektenbeauftragte des Berliner Senats, in ihrem Aufsatz in dem neuen Buch „VPM – Die Psychosekte“. Als ein Anrufer Ende 1991 nachfragte, ob ihr ein „Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“ bekannt sei, verneinte sie noch. Doch schon nach ihrer allerersten öffentlichen Äußerung über den VPM in einem Radiointerview wurde Schipmann von Strafanzeigen wegen „übler Nachrede“ geradezu überhäuft.

Das gleiche passierte der damaligen Bundesjugendministerin Angela Merkel, als sie 1993 eine Broschüre über „Sogenannte Jugendsekten und Psychogruppen“ veröffentlichen wollte. Ein VPM-Anwalt drohte mit einer einstweiligen Anordnung, falls der Verein erwähnt werden sollte.

150 PolitikerInnen und LobbyistInnen, darunter Heinrich Lummer, Claus Jäger, Gerhard Löwenthal und Dieter von Glahn, forderten in einer Brief- und Anzeigenaktion, der VPM dürfe in dem Heft nicht genannt werden. Monika Schipmann bekam die Vorgänge als Berliner Vertreterin in einem Bund-Länder-Arbeitskreis hautnah mit.

Wenig später, berichtet sie in dem Buch, habe die „Konservative Sammlung“ mit der Ankündigung zu einer Pressekonferenz eingeladen: „Skandal bei oberster Bundesbehörde? Sollte ,RAF-Sympathisantin‘ über Abordnung Bundes-Sekten-Beauftragte werden?“ Ihr Vorsitzender Dieter von Glahn ließ der Presse eine „explosive Dokumentation“ übergeben, in der es unter anderem hieß: „Drei Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR: Marxistisch-leninistische Agitprop-Zentrale auf Kosten der Steuerzahler? Geplante Bundessektenstelle entpuppt sich als Kampfinstrument marxistischer Strategen. (...) Im Gespräch als Leiterin ist die 40jährige Soziologin Monika Schipmann.“

Der schlagende Beweis für ihre „marxistische Weltanschauung“ und ihre Nähe zur RAF: Sie habe in ihrer Diplomarbeit die „Instandbesetzungen“ in Berlin erwähnt und sei in den 70er Jahren in der Drogenberatung tätig gewesen. Der VPM bestritt später, mit dieser Rufmordkampagne etwas zu tun zu haben. Der VPM-Anwalt, schreibt Schipmann, sei jedoch bei der Pressekonferenz anwesend gewesen.

Diese Darstellung ließ der VPM unbeanstandet durchgehen, als er im August per einstweiliger Verfügung die Schwärzung bestimmter Buchstellen durchsetzen konnte. Der Rowohlt-Verlag vermutete, es ginge dem VPM wohl nur um die Verunsicherung von Autoren, Verlag und Buchhandel, da seine Anwälte ausschließlich Nebensächlichkeiten beanstandeten und Buchhändlern mit Zwangsgeldern drohte, falls sie ungeschwärzte Versionen verkaufen sollten. In der Hauptverhandlung am 11. Oktober brachte es das Landgericht Köln – wie schon zuvor bei einem VPM-Streit gegen die tat – es nicht über sich, die Psychosekte in ihre Schranken zu weisen. Weil es dem VPM teilweise recht gab, darf das Buch weiterhin nur mit Schwärzungen verkauft werden.

Sowohl der „Fall“ Monika Schipmann als auch dieser neuerliche Rechtsstreit zeigen, wie der VPM, KritikerInnen mundtot zu machen versucht und dabei auch seine Verbindungen zur Neuen Rechten nutzt.

Das Rowohltbändchen bietet hier eine Fülle von hochinteressantem Material. So erfahren wir beispielsweise, warum der VPM immer solch pfeilschnelle Gegenerklärungen absendet, wenn irgendwo ein kritischer Bericht erscheint. Die Züricher Zentrale hat nämlich den sogenannten „Tempofax“-Service der Schweizerischen Depeschenagentur abonniert, der auf Stichworte reagiert. Sobald in den Agenturmeldungen das Wort „VPM“ auftaucht, rattert der Ticker, und der VPM weiß Bescheid.

Die Querverbindungen zwischen VPM und Neuer Rechten, so erfahren wir weiter, sind zahlreich. Ihr gemeinsamer Hauptfeind: die 68er. Man sei „durch wissenschaftliche Analyse auch dahintergekommen“, formulierte ein VPM- Anwalt, „daß die militanten linken Homosexuellen, die überall Aids- Hilfe-Vereine mit Subventionen aus Steuergeld gründen, vordergründig als ,Betroffene die Geißel der Menschheit‘ bekämpfen wollen, tatsächlich aber, mit öffentlichen Mitteln unterstützt, ihre Lebensform propagieren“. In Deutschland, wußte der Anwalt zu berichten, habe „die sogenannte Antifa-Bewegung die Postgewerkschaft unterwandert“.

Ähnliche Verschwörungen decken auch Vordenker der Neuen Rechten gerne auf. Erik von Kuehnelt-Leddihn berichtete der VPM- Gemeinde genußvoll, daß die Französische Revolution eine „sadistische Sexorgie“ war, bei der „schwangere Frauen in Obst- und Weinpressen ausgequetscht, Mütter mit ihren Kindern in Backöfen zu Tode geröstet“ worden seien.

Dieter von Glahn, der die RAF- Beamtin entlarvte, müßte eigentlich von Verschwörungen ganz anderer Art wissen. Buch-Herausgeber Ingolf Efler erinnert an die sogenannte Partisanenaffäre, die 1952 durch die Presse ging: Auf dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr hatten sich Partisanen auf den Einmarsch der Roten Armee vorbereitet und dabei auch „Proskriptions“-Listen mit zu liquidierenden Personen angelegt. 15 KPD- und 80 SPD-Politiker fanden sich darauf wieder. Der damalige „Partisan“ Dieter von Glahn wurde laut Autor Efler aber „einen Tag vor der Durchsuchung seiner Räume von der Polizei (!) gewarnt“ und konnte „seine Listen und Karteikasten zur Seite bringen“. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt, und von Glahn wurde später nacheinander Mun- Referent, FDPler, CDU-Mitglied, Republikaner, Chef der „Konservativen Sammlung“ und VPM- Lobbyist. Ute Scheub

Ingolf Efler, Holger Reile (Hrsg.): „VPM – Die Psychosekte“. Rowohlt 1995, 201 Seiten, 14,90 DM.