Das Portrait
: Charming Louis

■ Louis Farrakhan

„The Charmer“ war sein Künstlername. Seine Calypso-Shows galten im Boston der fünziger Jahre als die besten. „The Charmer“ hieß mit bürgerlichem Namen Louis Eugene Walcott und hätte nach Meinung seiner Fans, vor allem der weiblichen, ein zweiter Harry Belafonte werden können.

Doch aus Louis Eugene Walcott wurde 1955 Louis Farrakhan. Der stellte sein musikalisches Talent ganz in die Dienste der „Nation of Islam“, einer 1930 gegründete Organisation, deren ideologische Grundlage eine Mischung aus Islam, Bibelexegese und schwarzem Separatismus ist. „A White Man's Heaven Is A Black Man's Hell“ – so lautete der Titel seines Calypso-Songs, der in den Geschäften der „Nation of Islam“ in den 60ern gespielt wurde.

Bald allerdings trat die Musik auf Anordnung Elijah Muhammads, dem damaligen Führer der Sekte, hinter der Religion zurück. Farrakhan wurde einer der engsten Gefolgsleute Muhammads und einer der Intimfeinde von Malcolm X, als sich dessen Bruch von der „Nation of Islam“ abzeichnete. Lange hielten sich Gerüchte, daß Farrakhan am Mordplan gegen Malcolm X beteiligt gewesen sei – beweisen konnte es niemand.

Louis Farrakhan, Führer der „Nation of Islam“ Foto: Reuter

Seit 1975 steht Farrakhan der „Nation of Islam“ vor. Seine Rhetorik der Eigenverantwortlichkeit, Disziplin und absoluten Autarkie von Weißen – gemischt mit antisemitischen und homophobischen Hetzereien – stoßen vor allem in den ärmsten Teilen der inner cities auf positive Resonanz. Dort bietet die „Nation of Islam“ Schulen, soziale Einrichtungen und Sicherheitsdienste an.

Dennoch: Traditionelle Muslime rechnen die „Nation of Islam“ nicht zu ihrer Religionsgemeinschaft, und im Spektrum schwarzer Organisationen galt sie lange Zeit als Paria. Erst in den letzten zwei Jahren ist die Sekte mit ihren rund 100.000 Mitgliedern von manchen traditionellen Bürgerrechtsorganisationen als koalitionsfähig angesehen worden.

Dabei bewirkt die erregte Mediendebatte um Louis Farrakhan vor allem eins: sie ist eine willkommene Ablenkung vom eigentlichen Problem – dem Rassismus in der US-Gesellschaft.

Vielleicht sollte sich der 62jährige wieder mehr dem Singen widmen. Da schlägt er viel versöhnlichere Töne an, wie etwa in seiner 1984 erschienenen Aufnahme „Let's Unite“ – eine Aufforderung an „Muslime, Christen und Juden“, sich zusammenzuschließen. Andrea Böhm