Waren Territorialverluste geplant?

■ "Geheimer Zusatz" zu Belgrader Vereinbarung. Gruppe von bosnisch-serbischen "Abgeordneten" fordert vergeblich den Rücktritt von Karadzic und Mladic. Serben-"Parlament" entläßt Generäle

(dpa/AFP/taz) Banja Luka – Das selbsternannte Parlament der bosnischen Serben hat gestern vier Generäle und mehrere Truppenoffiziere ihrer Posten enthoben. Ihnen wurde die Verantwortung für den Verlust großer Gebiete im Westen und Nordwesten Bosniens vorgeworfen. Das berichtete die Belgrader Nachrichtenagentur Beta aus Banja Luka. Bei den abgelösten Militärs handelt es sich um den stellvertretenden Chef des Generalstabes, Milan Gvero, und die Generäle Zdravko Tolimir, Djordje Djukić sowie Grujo Borić.

Die „Abgeordneten“ hatten in der Nacht zu gestern den Rücktritt des „Regierungschefs“ Dušan Kozić angenommen. Seine Ablösung und die Bildung einer Regierung der nationalen Rettung war von einer Gruppe von acht unabhängigen Abgeordneten gefordert worden, die darin von 20 Abgeordneten der der Demokratischen Serbischen Partei (SDS), der Partei Karadžićs, unterstützt worden waren. Karadžić hatte bereits am Samstag einige Offiziere für die Niederlagen gegen die Regierungsarmee verantwortlich gemacht und Konsequenzen gefordert.

Hingegen verlangte am Sonntag an der „Parlamentssitzung“ in Banja Luka eine Minderheit von Abgeordneten den Rücktritt der gesamten politischen und militärischen Führung der „Republika Srpska“. Dies berichtete gestern die in Belgrad herausgegebene unabhängige Zeitung Naša Borba unter dem Titel „Ein Teil des Parlaments fordert den Rücktritt von Karadžić, Mladić und der Regierung der Republika Srpska“. Bei dieser Minderheit handelt es sich um die bereits erwähnte Gruppe unabhängiger Abgeordneter unter Leitung von Milorad Dodik sowie um Abgeordnete aus der Bosanska Krajina. Sie warfen der Führung den Verlust von mehr als der Hälfte der Territorien vor und forderten, einen „geheimen Anhang“ der Belgrader Vereinbarung vom 29. August offenzulegen. An jenem Tag hatten Karadžić, Mladić und „Parlamentspräsident“ Krajisnik auf einem Treffen mit dem serbischen Präsidenten Milošević sich bereit erklärt, in Zukunft in einer gemeinsamen Kommission mit Milošević an Friedensverhandlungen teilzunehmen.

In dem geheimen Zusatz zur Belgrader Vereinbarung, so unterstellen nun die Abgeordneten, seien die territorialen Verluste der letzten Zeit im vorhinein vereinbart worden. Die Sitzung mußte wegen dieser Forderung der Abgeordneten unterbrochen werden, die sich jedoch damit nicht durchsetzen konnten. Statt dessen forderte die Gruppe der SDS-Abgeordneten mit Erfolg den Rücktritt der vier oben erwähnten Generäle Gvero, Tolimir, Djukić und Borić. Die Generäle sowie der zurückgetretene Kozić scheinen damit die Rolle von Sündenböcken für die Verluste der Karadžić-Serben zu übernehmen. jv