CIA spioniert gegen Japan

Miti-Chef Hashimoto wurde bei Handelsgesprächen täglich abgehört. Offiziell hält japanische Regierung sich zurück. Schon vorher Ärger, weil US-Marines Mädchen vergewaltigt hatten  ■ Aus Tokio Georg Blume

Eigentlich sollte der gestrige Tag als Meilenstein in die freundschaftliche Beziehung der beiden größten Wirtschaftsmächte eingehen: Denn in Tokio präsentierten General Motors und Toyota, respektiv der größte amerikanische und der größte japanische Automobilkonzern, ihre erste Koproduktion für den japanischen Markt. Dabei hatte Toyota für den Umbau eines GM-Modells gesorgt, das nun erstmals über ein Steuerrad auf der rechten Seite verfügt – passend für den japanischen Linksverkehr. Der Deal war Bestandteil der im Juni abgeschlossenen „Autogespräche“ zwischen beiden Nationen.

Die Wirklichkeit aber sieht anders aus. Das ließ am Wochenende ein Bericht der New York Times erahnen, der detailliert beschreibt, wie die japanische Verhandlungsdelegtion während der über ein Jahr währenden „Autogespräche“ systematisch von seiten des amerikanischen Geheimdiensts CIA ausspioniert wurde.

Verdachtsmomente, daß geheime japanische Verhandlungspapiere vorzeitig in Besitz der amerikanischen Regierung gelangt waren, hatte es schon zuvor gegeben. Man hatte deshalb angenommen, daß sich in den japanischen Reihen ein amerikanischer Spitzel befunden hatte. Doch nun zitierte die New Yorker Zeitung Aussagen von Regierungsbeamten in den USA, denen zufolge US-Handelsminister Mickey Kantor während der Verhandlungen mit dem japanischen Miti-Wirtschaftsminister Ryutaro Hashimoto täglich über die privaten Konversationen seines Gegenübers informiert wurde.

Die japanische Delegation hatte nach Angaben der Zeitung auf die abhörsicheren Telefone des eigenen Außenministeriums verzichtet, weil das Außenministerium in Tokio nicht zu viel über die Verhandlungen der Konkurrenten vom Miti erfahren durfte. Ebenso systematisch belauscht wurden nach Angaben derselben US-Beamten die führenden Manager von Toyota und Nissan, deren Kooperation für den Ausgang der Verhandlungen entscheidend war. „Es war eine bedeutende Leistung [des CIA], weil der Geheimdienst endlich erkannte, daß es sich um die Rüstungsgespräche eines neuen Zeitalters handelte“, sagte ein hoher US-Beamter.

Weniger begeistert reagierten die Betroffenen auf japanischer Seite. „Dies ist sicher keine sehr erfreuliche Angelegenheit“, ließ sich Miti-Chef Hashimoto vernehmen. Auf einer Pressekonferenz am Montag wiegelte Miti-Staatssekretär Tomio Tsutsumi dann aber den Spionagevorwurf ab: „Wir werden den Umgang mit vertraulichen Informationen in Zukunft nicht ändern.“

Dennoch dürfte Tokios inoffizielle Reaktion auf den diplomatischen Kanälen weit deutlicher ausfallen. Tatsächlich kriselt es seit Wochen in den japanisch-amerikanischen Beziehungen: Beide Seiten müssen unter den Druck der japanischen Öffentlichkeit den Stationierungsvertrag für die annähernd 60.000 US-Soldaten in Japan neuverhandeln, nachdem drei US- Marines ein 12jähriges Schulmädchen vergewaltigt hatten.

Wie kontraproduktiv sich die CIA-Unterstützung für US-Unternehmen auswirken kann, zeigte sich für General Motors bereits am Montag: Im Medienrummel um den angeblichen Spionagefall ging die historische Modell-Premiere mit Toyota völlig unter.