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Töpferndes Tränentier

■ Zum Heulen peinlich: „Trennung – Bis zum nächsten Jahr“, ein Dokumentarfilm als Subventionsgrab erster Klasse/ Heute abend Erstaufführung im Kino 46

Birgit ist 35, 12 Jahre verheiratet, hat drei Kinder und will mal Lehrerin werden. Eine ziemlich reife Referendarin, die nun auch noch von ihrem Mann – Langzeitstudent auch er – verlassen wird. Um Trennungsschmerz und unverarbeitete Gefühle in rauhen Mengen geht es in Gisela Tuchtenhagens und Sabine Friedrichs Dokumentarfilm „Trennung – Bis zum nächsten Jahr“. Deshalb bricht Birgit in den 72 Filmminuten auch in fast jeder Szene in Tränen aus, und schwere Betroffenheit schwappt durch die nicht enden wollenden Einstellungen, in denen Birgit „Leben einfordert“, „Ebenen braucht“, „einfach mal schreien will“ oder Selbstgetöpfertes in die Kamera hält.

Als Langzeitbeobachtung versteht sich die Arbeit der beiden Autorinnen, die Birgit seit Oktober 1993 beim Heulen gefilmt haben. Und ab und zu auf ein geschlossenes Fenster in ihrer Wohnung (wo die Korbmöbel und Yucca-Palmen sprießen und der Nachwuchs Jonas heißt) schneiden – was wohl als peinlich drittklassiges Symbol für die Stickigkeit und Ausweglosigkeit von Birgits Gefühlshaushalt herhalten muß. Den Ehemann bekommt man nie zu Gesicht. Man weiß nur, daß er sich weigert auszuziehen. Später wechselt die Szenerie in ein Anwaltsbüro, wo eine lebenskluge Scheidungsanwältin sagt, was finanziell und emotional Sache ist mit Birgits Beziehung. Das Leben ist hart; Birgit muß auch hier fast weinen. Doch das Leben ist nicht nur für Birgit hart: Plötzlich stellen uns die Regisseurinnen neue Trennungsfälle vor, die die Anwältin bearbeitet – mit derselben Einfallslosigkeit.

Am Schluß taucht Birgit wieder auf. Sie hat einen Ehevertrag aufsetzen lassen. Der Mann ist endlich weg; Birgit schleift die Dielen in seinem Zimmer ab.

In diesem bebilderten Hörspiel, das sich als Dokumentarfilm ausgibt, zeigen sich die Tücken des bundesdeutschen Filmförderverbundes. Schleswig Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, das Kuratorium junger deutscher Film und das Filmbüro Bremen (bei Produktionsbeginn noch mit Fördergeldern dabei) schaufelten gemeinsam ein Subventionsgrab erster Klasse. Bar jeglicher filmischer Inspiration haben Tuchtenhagen und Friedrichs hier konsequent jegliches Publikumsinteresse ignoriert und keine Längen gescheut, damit der Film knapp abendfüllend wird. Selten wurde ein an sich interessanter Stoff so unfilmisch zerrredet und glücklos aufbereitet. Wir fühlen mit Birgit, die noch lange an der Trennung zu knabbern haben wird – aber im Kino nichts zu suchen hat! Alexander Musik

„Welturaufführung“ heute um 20.30 Uhr, Kino 46, in Anwesenheit der Regisseurinnen

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