„Betis ist ein Gefühl“

Betis Sevilla, UEFA-Cup-Gegner von Kaiserslautern, ist nach einer wechselvollen Geschichte wieder in die spanische Spitze zurückgekehrt  ■ Von Günter Rohrbacher-List

Als der 1. FC Kaiserslautern 1991 im Europapokal der Landesmeister beim FC Barcelona spielen mußte, prophezeite ihm der Kicker den Gang in die „Hölle des Nou Camp“. Etwas Ähnliches steht den Pfälzern dieses Jahr in der zweiten Runde des UEFA-Pokals bevor. Das Stadion Benito Villamarin von Betis Sevilla gilt als „eine der schwierigsten Arenen der Primera División“. Sagt Angel Cuéllar, der zu Anfang dieser Saison vom andalusischen Club zum FC Barcelona gewechselt ist und beim 5:1-Sieg der Katalanen über Betis zuschauen mußte. Auch Kaiserslautern darf die Atmosphäre in Sevilla am kommenden Sonntag gegen Santiago de Compostela noch einmal studieren, denn das Los führt Betis im heutigen Hinspiel (17.45 Uhr, ARD) zum Betzenberg.

Drei Jahre lang war Betis (von bético = andalusisch) zweitklassig und schaffte erst voriges Jahr wieder den Aufstieg. Der Leidensweg der populärsten Mannschaft Andalusiens ist eng mit der Geschichte des verhaßten aristokratischen FC Sevilla verbunden. Als die Führung dieses berüchtigt snobistischen Clubs wenige Jahre nach der Jahrhundertwende einem jungen Spieler die Aufnahme verweigerte, weil er aus zu bescheidenen Verhältnissen stammte, schlug die Geburtsstunde von Betis. Das Gefühl der Rebellion gegen die etablierte Ordnung und den Sozialdarwinismus blieb Betis seit seiner Gründung 1907 erhalten und machte ihn zum Club der kleinen Leute und der Linken. Eine wichtige Rolle dabei spielte die traditionell sozialistische Familie Barbolla. Als 1932 die Elite-Liga gegründet wurde, war Betis der erste andalusische Club, der ihr angehörte. Schon drei Jahre danach reichte es zum bisher einzigen Meistertitel. Das geschah während der 2. Republik, kurz vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges, als die spanische Linke in ihrer höchsten Blüte stand. Durch die Kriegswirren und die darauf folgende Machtübernahme durch die Faschisten unter Generalisimo Francisco Franco begann eine schwierige Zeit für den Club, der völlig „unspanisch“ in den grün-weißen Farben Andalusiens spielte. Schnell fand sich Betis in der 3. Liga wieder. Um zu verhindern, daß Betis endgültig in der Anonymität verschwindet, organisierten die treuesten Anhänger Lotterien. „Betis ist mehr als ein Club, Betis ist ein Gefühl“, traten sie für ihren Club ein. Die Devise: „Es lebe Betis, auch wenn es verliert!“

Die vier Jahrzehnte der Diktatur überbrückte der Verein dank seines galizischen Präsidenten Benito Villamarin, dessen Namen das 47.500 Zuschauer fassende Stadion trägt. Als Franco 1975 starb, wachte Betis wieder auf und holte zwei Jahre später die Copa del Rey, den spanischen Pokal. Mit der Demokratie kam Betis zurück. Seine Fans, die farbigsten und leidenschaftlichsten in Andalusien und vielleicht sogar in ganz Spanien, jubeln auch dann, wenn Betis engagiert spielt und trotzdem verliert, wie beim 1:5 gegen den FC Barcelona. Und sie frohlocken vor allem, wenn der FC Sevilla verloren hat. Dort, im „feindlichen“ Stadion Sánchez Pizjuan, behaupten böse Zungen, Betis sei der Club der (noch amtierenden) sozialistischen Regierung, weil der Andalusier Felipe González die „verdiblancos“ unterstützt.

Betis Sevilla 1995 ist vor allem das Werk des mallorquinischen Trainers Lorenzo Serra Ferrer, der ein multinationales Team um sich scharte. Der Serbe Stosić, der Bosnier Uldaković, der Kroate Jarni, der von Juventus Turin gekommen ist, und der Pole Kowalczyk von Legia Warschau sind die wichtigsten Spieler. Ergänzt werden sie durch den torgefährlichen Pier von Sporting Gijón und den Ex-Madrilenen Alfonso. Die europäischen Auftritte von Betis waren bisher selten und fast immer kurz. Bei drei UEFA-Pokal-Teilnahmen schied die Mannschaft jeweils schon in der ersten Runde aus. Besser ging es im Pokalsieger- Wettbewerb 1977/78, als nach Siegen über den AC Mailand und Lokomotive Leipzig erst im Viertelfinale gegen Dynamo Moskau Schluß war.

FCK-Trainer Friedel Rausch stöhnte bekanntlich schon nach der Auslosung über den unbequemen Gegner, der dem 1. FCK nicht ganz unähnlich ist: das enge Stadion, die fanatischen Anhänger ... „Das ist das schwierigste Los, das wir bekommen konnten!“ Ein Urteil, das Rausch auch nach dem 1:5 von Betis gegen Barça nicht revidierte. Zumindest ein farbiges Spiel ist garantiert, wenn die Roten Teufel heute abend die Grün-Weißen empfangen. Zwei Tore schießen und zu Null spielen, und die Teufel könnten an „Todos los Santos“ (Allerheiligen) der Hölle des Benito Villamarin gerade noch einmal entkommen.