Bet Lynch lebt hier nicht mehr

■ Eine Wirtin verläßt die BBC-Serie „Coronation Street“

Dublin (taz) – Um acht Uhr abends stieg der Stromverbrauch schlagartig um ein Viertel: Die britische Fernsehnation tröstete sich mit Tee. In der halben Stunde zuvor hatte die berühmteste Wirtin des Landes den Zapfhahn für immer zugedreht. Bet Lynch, die Pächterin des „Rovers Return Inn“, ist aus der Coronation Street weggezogen.

Die Serie, die als Vorbild für die „Lindenstraße“ diente, ist ein Dauerbrenner. Im Dezember feiert sie ihr 35jähriges Jubiläum. Julie Goodyear, wie Bet Lynch mit bürgerlichem Namen heißt, hatte bereits 1966 ein kurzes Gastspiel als Arbeiterin in einer Regenmantelfabrik gegeben. Ab 1970 war sie fest dabei, zuerst als Kellnerin, seit 1985 als Wirtin. Die Schauspielerin mit dem exklusiven Geschmack (sie trägt Dior, trinkt Dom Perignon und hat goldene Wasserhähne im Bad) kam zum ersten Mal in die Schlagzeilen der Boulevardpresse, als sie ihre Brüste – sie nennt sie Newton und Ridley, weil die Biersorten im Rovers Return so heißen – für bescheidene tausend Pfund versichern ließ. Mit ihrer grotesken grellblonden Turmfrisur und dicken Schminke wurde Bet schnell zum Markenzeichen der „Coronation Street“.

Seit Montag ist es damit vorbei: Bet bekam einen Wutanfall, weil ihre Stieftochter ihr nicht 66.000 Pfund für den Kauf des Rovers Return leihen wollte, warf sämtliche Trinker aus dem Laden, leerte den Aschenbecher ein letztes Mal, obwohl seit Jahren niemand in der Serie raucht, und rief sich ein Taxi. Unvergeßlich die bedeutungsschwere Schlußszene in der Kneipe: eine Nahaufnahme ihrer rechten Hand mit rotlackierten Fingernägeln, die bedächtig die Wirtshausschlüssel auf den Tresen legt. Das hatte Stil. An die Bowmans, ein Vorabendprogramm vom ländlichen England, reichte es freilich nicht heran: Jene Serie endete abrupt, als sämtliche Protagonisten in einen stillgelegten Bergwerksschacht fielen.

Die „Coronation Street“ geht dagegen auch ohne Bet weiter. Am Montag war die Wirtin zum 2002. Mal dabei, insgesamt hat sie rund 30.000 Pints – jene magischen 0,56 Liter – gezapft. Ihr Abgang brach den bisherigen Rekord von 27 Millionen ZuschauerInnen, den die Serie 1989 aufgestellt hat. Ob der Abschied endgültig war, steht nicht fest: Die Autoren ließen ihr ein Hintertürchen offen. Wo soll sie auch hin? Man munkelt, ihr sei eine Talk-Show angeboten worden. Vielleicht wechselt sie auch von der Straße auf den Strich: Der unabhängige Sender ITV plant eine Prostituiertenserie mit dem Titel „Band of Gold“. Und wenn Bet dort genug Geld verdient hat, kann sie vielleicht das Rovers Return Inn doch noch kaufen. Ralf Sotscheck