Den Haß dokumentieren: Erich-Salomon-Preis für Gilles Peress

Als „Arbeit gegen das Schweigen“ hat die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh) am vergangenen Wochenende das Lebenswerk des in New York lebenden französischen Fotografen Gilles Peress mit dem Erich- Salomon-Preis 1995 ausgezeichnet. In der fotografischen Abteilung des Essener Museum Folkwang ist dazu noch bis 19. November die Ausstellung „The Silence“ zu sehen, aus der auch die abgebildete Aufnahme stammt. Gezeigt werden ausschließlich Bilder, die Peress 1994 in Ruanda vom Krieg zwischen Hutu und Tutsi aufgenommen hat. Im begleitenden Fotoband (Scalo Verlag, Zürich, 34,80 Mark) geht der Fotografie des Leichenberges in einem Flüchtlingslager in Zaire das Bild einer gigantischen Baggerschaufel voraus, die die toten Körper zusammenschiebt. Beide Aufnahmen sind charakteristisch für das Werk des 49jährigen, der seit 1971 für die Agentur Magnum als freier Bildjournalist arbeitet. Peress konzentriert sich auf die Dokumentation rassistischer und nationalistischer Bewegungen. Nach Bänden über den Iran und Ruanda soll im kommenden Jahr ein Buch über Nordirland erscheinen, wo Peress seit 25 Jahren fotografiert. Zur Preisverleihung in Essen kam er direkt aus Bosnien. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien soll Bestandteil seines fotografischen Langzeitprojekts „Hasse deinen Nächsten“ werden.

Als Reportagefotograf im klassischen Sinne grenzt sich Peress bewußt von der Zeitungsfotografie ab. Seine direkten und vor allem durch ihren radikalen Anschnitt spektakulären Aufnahmen entziehen sich durch fehlende nachrichtliche Information dem hektischen News-Geschäft und unterscheiden sich deutlich von der traditionell appellativen Kriegsfotografie mit ihrer meist klaren Täter-Opfer-Relation. Eine „Reaktion gegen die Sprache“ nennt Gilles Peress selbst die Fotografie, ein „Werkzeug, um die Welt zu verstehen und um herauszufinden, was ich über die Welt und über die Dinge fühle“. In Deutschland gab es bislang noch keine Peress-Ausstellung. Er mag das Land nicht allzugern, seitdem er hier im Auftrag der Schweizer Zeitschrift „du“ türkische Gastarbeiter fotografierte. Lediglich acht Papierabzüge von Peress hat Ute Eskildsen in Essen gehängt. Sie unterbrechen ein langes Bord, auf dem alle Seiten des „Silence“- Buches aufgeschlagen ausgestellt sind. Damit entspricht sie einem Wunsch des Fotografen, der das Medium Buch als letzte Möglichkeit der selbstverantworteten und kompromißlosen Präsentation seiner Arbeiten betrachtet. Schrift würde dabei stören, deshalb verzichtete man in Essen auch auf die zuvor im New Yorker Museum of Modern Art den Bildern noch hinzugefügten Tafeln mit politisch-historischen Erklärungen. Erst dadurch wird das bewußte Lesen der Bilder wieder möglich.

Stefan Koldehoff

Berichtigung

Bei der fast makellosen Fehlerlosigkeit der gestrigen Seiten bleibt uns nur zu versichern und zu versprechen: Die Anführungszeichen mitten im Wort Ver„säumnisse hatten nicht den geringsten tieferen Sinn oder Nährwert. Und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, daß das auch niemals der Fall ist.

In letzter Zeit schien er eigentlich ganz zuversichtlich, was sein Schicksal nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 22. Oktober betrifft: Kultursenator Ulrich Roloff-Momin. Obwohl bereits neue Namen für sein Ressort gehandelt wurden – eine gerne geübte Praxis im Vorfeld von Wahlen –, brachte er sich zuletzt mit dem Vorschlag ins Gespräch, im Zuge notwendiger Zusammenlegungen das kleine Kulturressort an die Wissenschaftsverwaltung anzukoppeln, um so als Doppelsenator seine eigene Nachfolge antreten zu können. Doch er hätte gewarnt sein müssen; spätestens, als selbst Albert Eckert, kulturpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, kürzlich dafür plädierte, das Kulturressort vielmehr der Stadtentwicklung anzugliedern. Ein Vorschlag, den natürlich auch die Berliner CDU gutheißt, sitzt doch auf diesem Posten derzeit Volker Hassemer, letzter CDU-Kultursenator vor der rot-grünen Koalition. Und überhaupt: Etwas muß an der Verquickung von Bauwesen und Kultur dran sein. Das hat auch die SPD-Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer erkannt, die ingeniös – wenn auch angeblich nur aus Genervtheit ob fortgesetzter Nachfragen – den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Walter Momper als Kandidaten fürs Kulturressort vorschlug. Warum Walter Momper? Das können nur diejenigen fragen, die mit den Plänen der Hauptstadt 2000 nicht vertraut sind. Momper hatte sich nach seiner Wahlschlappe ins Immobiliengeschäft zurückgezogen. Die Hauptstadt wiederum ist ein Projekt der Bauindustrie. Und welche Areale stehen derzeit zur Disposition? Das Tacheles, die Technoclubs in Berlin-Mitte, Probebühnen und die Off-Galerieszene im Scheunenviertel. Und diese Kulturräume, besser: Immobilien, sollen künftig Baugewerbespezialisten verwalten? Eigentlich genial. Allein, Roloff-Momin fühlt sich düpiert. Er glaubt jetzt die Quittung für seine Schließung des Schiller Theaters zu bekommen, die man zu guter Letzt ihm allein anhängt, damit sich seine Senatskollegen, „die damals in den Schützengräben gehockt und sich die Aktentaschen über den Kopf gehalten haben, damit sie bloß nichts abkriegen“, davon freimachen können. Und er beklagt: „Ich hätte mehr Anstand erwartet.“ Aber eine Woche vor der Berliner Wahl hat Stahmers Vorschlag vor allem eine Botschaft: Die Kränkung kommt vor dem Fall.