„Ein Flüchtslingsdrama ohne Ende“

■ Kris Janowski, der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks in Bosnien-Herzegowina, über die Lage der serbischen Flüchtlinge und die der letzten Muslime in Banja Luka

taz: Wie ist die Situation der serbischen Flüchtlinge in Banja Luka?

Kris Janowski: Es gibt 250.000 Flüchtlinge in Banja Luka. Viele von ihnen mußten zum zweiten Mal fliehen. Diesen Flüchtlingen geht es sehr schlecht, die sanitären Bedingungen vor allem machen uns Sorgen. Alle Hilfsorganisationen haben Notprogramme aufgelegt, eine Luftbrücke wurde errichtet, aber die Hilfsmaßnahmen reichen nicht aus, um die Lage der Flüchtlinge entscheidend zu verbessern. Viele der Flüchtlinge sind in zerstörten Häusern untergebracht, vor allem in der Umgebung von Banja Luka, in Gegenden, die 1992 von den serbischen Militärs zerstört worden sind, auch in Derventa. Es ist eine traurige Ironie der Geschichte, daß im Steinbruch von Omarska, von dem ja 1992 behauptet wurde, er sei ein Konzentrationslager für Muslime und Kroaten gewesen, jetzt 9.000 serbische Flüchtlinge untergebracht sind.

Haben diese Flüchtlinge eine Chance, nach Serbien und dann vielleicht ins weitere Ausland zu gehen?

Die serbischen Behörden lassen keine Flüchtlinge aus Bosnien nach Serbien einreisen. Hinzu kommt, daß die bosnisch-serbischen Behörden selbst die Flüchtlinge aus der Region Banja Luka nicht herauslassen. Es gelingt somit kaum jemandem, durch den Korridor bei Brčko weiter in Richtung Serbien zu gelangen. Allerdings haben sich die Menschen in Banja Luka etwas beruhigt; sie glauben nicht mehr an einen Angriff der bosnischen oder der kroatischen Streitkräfte auf die Stadt.

Die letzten noch dort lebenden Muslime, so beklagen die bosnischen Behörden, werden von „Freischärlern“ wie den „Arkan“- Truppen terrorisiert.

Nicht nur durch diese Gruppen wird Druck auf die restlichen Muslime in der Region ausgelöst. Dabei kommt es zu grotesken Ereignissen. Muslimische Frauen und Kinder – die Männer wurden zurückgehalten – sind von Serben aus Sanski Most evakuiert und schließlich auf bosnisches Gebiet abgeschoben worden. Nach der Eroberung von Sanski Most sind diese Menschen wieder von den bosnischen Behörden in ihre Heimatstadt Sanski Most zurückgebracht worden. So schließt sich der Kreis.

Manche der ausgewiesenen Frauen behaupten, die serbischen Behörden hätten ihnen angeboten, ihre verhafteten Männer für 300 Mark zurückzukaufen. Doch war ihnen das gesamte Geld vorher abgenommen worden. Viele Männer sollen auch ermordet worden sein.

Dafür habe ich keine Beweise. In diesem Krieg ist aber alles möglich. Interview: Erich Rathfelder