„Nur über meine Leiche“

■ Kann Italiens Justizminister Mancuso sich halten? Senat berät heute über persönlichen Mißtrauensantrag

Rom (taz) – Ein Mann, der den Alptraum schlechthin verkörpert: Italiens Justizminister Filippo Mancuso. Er ist der Urheber zahlreicher Inspektionen bei Staatsanwälten, die gegen Korruption ermitteln. Mancuso soll nun über einen persönlichen Mißtrauensantrag gestürzt werden, der heute im Senat beraten wird. Die Fraktion der „Fortschrittlichen“ hat ihn eingebracht, Rifondazione und Lega Nord werden zustimmen, dazu zahlreiche Mitglieder der Italienischen Volkspartei sowie einige Splittergruppen.

Mancuso hatte sich seit Amtsantritt im Februar all jene vorgenommen, die es wagten, die Potentaten der Republik wegen Korruption anzuklagen oder an den Medienzaren und Ex-Premier Silvio Berlusconi Hand zu legen. Der Mailänder Ermittlungsgruppe „Mani pulite“ (Saubere Hände) schickte er bereits das fünfte Mal Inspektoren. Obwohl diese bisher immer eine Entlastung der Angeschuldigten zurückbrachten, behauptete Mancuso, er habe wieder Verletzungen der Strafprozeßordnung festgestellt: Amtsmißbrauch oder Einschüchterung beim Verhör. Einmal soll der Leiter von „Mani pulite“, Borelli, die Inspektoren dadurch eingeschüchtert haben, daß er beim Obersten Richterrat nachfragte, inwieweit diese Leute Akten in laufenden Verfahren einsehen oder gar mitnehmen dürfen. Stets kam der Oberste Richterrat zu der Überzeugung, daß nichts auf eine Regelverletzung schließen lasse. Mancuso beantragte weitere Disziplinarverfahren. Am Ende ergriffen seine eigenen Inspektoren die Flucht.

Der ehemalige Chefermittler in Sachen Korruption, der im Dezember 1994 zurückgetretene Antonio Di Pietro, fragte sich in mehreren Artikeln vorige Woche, wie dieser Justizminister sein Amt wohl verstehe: „Er sitzt Tag und Nacht da und schreibt neue Inspektionsanordnungen, statt sich den himmelschreienden Ausstattungs-Defiziten in den Amtsstuben der Staatsanwälte auch nur mit einer Silbe zu widmen.“ Tatsächlich schiebt allein Neapel mehr als zwei Millionen Prozesse vor sich her, weil Personal fehlt. In zahlreichen kalabresischen und sizilianischen Ermittlungsbehörden gibt es weder Leiter noch Kanzleigehilfen. Faxgeräte sind Mangelware, oft bringen die Ermittler eigene Schreibmaschinen mit.

Justizminister Mancuso aber ist fest entschlossen zu bleiben, auch wenn das Mißtrauensvotum durchkommt. „Dieses Ministerium kriegen die nur über meine Leiche“, sagt er. Seiner Ansicht nach ist ein persönliches Mißtrauensvotum verfassungsmäßig irrelevant, notfalls will er das höchste Gericht anrufen. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, wäre ein Rücktritt des gesamten Kabinetts. Das würde aber eine höchst unsichere neue Vertrauensdebatte für Ministerpräsident Dini auslösen, was dieser kurz vor der Verabschiedung des Haushaltes 1996 unbedingt vermeiden will. Verfassungsrechtler meinen aber, die Sache sei konstitutionell durchaus abgedeckt. Notfalls müsse man die Carabinieri rufen, um den Mann aus seinem Amtszimmer herauszubekommen.

Die Medien jedenfalls sind bereits auf eine lebendige Debatte gefaßt. Denn Schlägereien hat es ja auch schon wegen wesentlich weniger brisanter Dinge im Parlament gegeben. Werner Raith