■ Mit den Bauernprozenten auf du und du
: Freiwillig mehr

Brüssel (taz) – Seit Finanzminister Theo Waigel die italienische Lira in den Keller geredet hat, ist der Milchexport über den Brenner deutlich zurückgegangen. Und jetzt ist auch noch der französische Franc abgesackt. Die starke D-Mark kommt die Bauern teuer zu stehen, weil die von der EU garantierten Agrarpreise in der ganzen Europäischen Union einheitlich in Ecu berechnet werden. Der Ecu ist eine Durchschnittswährung, die sich aus den Kursen der einzelnen Währungen zusammensetzt. Für jeden Liter Milch bekommen die Bauern zwar nach wie vor rund einen halben Ecu, umgerechnet in Mark ist das aber heute weniger als vor ein paar Monaten, in Lira oder Franc dagegen mehr. Für die italienischen und französischen Bauern sind dadurch die Einkommen in den letzten Wochen gestiegen, für die deutschen gesunken.

Gestern in Bonn protestierten dagegen 3.000 LandwirtInnen samt 200 Traktoren. Der deutsche Bauernverband schätzt die Verluste für das laufende Wirtschaftsjahr auf 1,7 bis 1,9 Milliarden Mark und fordert eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf landwirtschaftliche Produkte um 2 Prozent. Was sich für den normalen Steuerzahler absurd anhört, hat in der Logik der Agrarpolitik durchaus einen Sinn. Denn schon heute dürfen die Bauern für ihre Produkte 9 Prozent Mehrwertsteuer kassieren, obwohl sie nur 7,5 Prozent an das Finanzamt abführen müssen. Diese Mehr- Mehrwertsteuer wurde ihnen bei früheren Aufwertungen zugestanden. Wenn die Regierung weich wird und die Bauern künftig 11 Prozent verlangen dürfen, dann bleiben ihnen 3,5 Prozent zusätzlich.

Die Rechnung zahlt übrigens der Finanzminister, denn die Kunden der Bauern, die Molkereien, Fleischfabriken und Exportfirmen können die erhöhte Mehrwertsteuer von ihrer Steuerschuld abziehen. Die Mehrwertsteuerlösung hat deshalb so viele Freunde, weil sie die am elegantesten versteckte Subvention der Landwirtschaft ist.

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Grünen-Abgeordneter im Europaparlament, hält die Regelung grundsätzlich für gerechtfertigt, sieht aber das Problem, daß die großen Bauern und Agrarfabriken, die viel produzieren, wieder einmal den größten Brocken bekommen. Er fordert deshalb eine Obergrenze pro Bauernhof. Langfristig sei das Problem der Währungsschwankungen ohnehin nur durch eine Regionalisierung der Landwirtschaft zu lösen, so Graefe: Wenn die Bauern in die nähere Umgebung liefern, kann ihnen der Kurs von Lira und Franc schnurz sein. bois