: Auf dem Konto arbeitet die Zeit
IG-Metall-Chef Klaus Zwickel: Flexible Beschäftigung und Stunden-Konten schaffen neue Arbeitsplätze. Zeitsouveränität als gewerkschaftliches Zukunftsthema ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Ohne Wenn und Aber hat sich der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel für flexible Arbeitszeiten und für Jahresarbeitszeit-Konten der Arbeitnehmer stark gemacht. Die dadurch erzielte Souveränität der Beschäftigten über ihre Arbeitszeit sei für die IG Metall ein ebenso wichtiges Thema wie bisher die Arbeitszeitverkürzung, sagte Zwickel gestern auf einer IG- Metall-Konferenz in Hannover, die „am Beispiel Volkswagen Wege aus der Beschäftigungskrise“ zeigen sollte.
Zwickel betonte, daß der diesjährige VW-Tarifabschluß nicht nur aus einer zunächst befristeteten Beschäftigungsicherung eine Dauerlösung gemacht habe. In dem Tarifvertrag seien erstmals auch individuelle Jahresarbeitszeit-Konten eingerichtet worden. Der IG-Metall-Vorsitzende forderte seine Gewerkschaft auf, sich mit dem bisher strittigen Thema „Zeitsouveränität durch Arbeitszeitkonten“ stärker auseinanderzusetzen.
Künftig könne vielleicht ein Teil der zu erbringenden Arbeitszeit von den Arbeitnehmern selbst organisiert werden. Darüber müßten sie dann selbständig mit dem Betrieb verhandeln.
Die Zeitsouveränität helfe Arbeit, Familie, Freizeit und Hobbys in Übereinstimmung zu bringen. Zwar gelte manchem Beschäftigten die Zeitsouveränität heute noch als Illusion, und vielfache stehe ihr auch die betriebliche Realiät entgegen, doch der IG-Metall-Chef fügte hinzu: „Wenn unsere Mütter und Väter zunächst einen Bedenkenkatalog aufgeschrieben hätten, wäre es nie zu dem ersten Tarifvertrag gekommen.“
In den individuellen Arbeitzeitkonten sah Zwickel in Hannover vor allem einen Weg, um Überstunden abzubauen: Jede Überstunde solle auf einem Kurzzeit- Konto niedergeschrieben werden. Der Betriebsrat müsse monatlich oder vierteljährlich den Stand der Konten auf den Tisch bekommen, um bei Überhang Neueinstellungen zu initiieren.
So könne man neue Arbeitskräfte in die Betriebe holen und den Arbeitslosen wieder Hoffnung machen, sagte Zwickel. Dabei verwies er auf Millionen von Überstunden, die die Beschäftigten der deutschen Metallindustrie allein in diesem Jahr leisten würden. Den Arbeitgebern warf Zwickel vor, daß sie ihre Flexibilisierungsvorschläge schnell wieder zurückzögen, wenn die Gewerkschaft die Arbeitszeitkonten zum Überstundenabbau nutzen wolle.
Die Wege aus der Beschäftigungskrise müssen für Zwickel nicht neu erfunden werden. Notwendig sei eine Vermehrung von Arbeitschancen durch gezielte Investitionen.
Die Automobilindustrie dürfe dabei etwa die Chancen im Bereich des Produktrecyclings und der Recourcenschonung nicht verschlafen. Notwendig sei auch eine größere Durchlässigkeit des Arbeitslebens durch vorübergehenden Ausstieg und gesicherten Wiedereinstieg.
Zu Wegen aus der Beschäftigungskrise führen für Zwickel auch „weitere Fortschritte allgemeiner und individueller Verkürzung der Arbeitszeit“. Die 35-Stunden-Woche nannte Zwickel ein Jahrhundertwerk, die bei VW geltende 28,8-Stunden-Woche „einen vorgezogenen Schritt in das nächste Jahrtausend der industriellen Arbeit“.
Eine weitere allgemeine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf weniger als 35 Stunden forderte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel während der Konferenz allerdings nicht.
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