Die Quote wird in aller Stille beerdigt

■ Quotenfrau Glißmann sieht das Urteil nicht nur negativ

Für Aufregung sorgt das Urteil des EU-Gerichtshofes im Bremer Gartenbauamt nicht. Keine Diskussionen in der Teeküche, keine Debattierclubs auf den Gängen. Hier wird die Frauenquote in aller Ruhe, in der Stille der Normalität beerdigt. Nur im Zimmer von Heike Glißmann klingelt unaufhörlich das Telefon. Die Presse verlangt nach ihrem Kommentar.

„Die Entscheidung ist bedauerlich für die berufstätigen Frauen allgemein, aber sie hat natürlich auch ein Gutes“, findet Heike Glißmann. Denn im Grunde steht sie der Quote genauso kritisch gegenüber wie der EU-Generalstaatsanwalt: „Die Quote ist keine gute Basis. Die Frau ist es eigentlich nicht wert, nur aufgrund einer Quotenregelung in bestimmte Positionen zu kommen.“ Heike Glißmann setzt grundsätzlich eher auf „die Qualifikation, rechtschaffenes Arbeiten und die Selbständigkeit der Frauen“. In ihrem Fall aber sei klar gewesen, daß der Mann bevorzugt wird, weil er älter ist. Daher sei ihr nichts anderes übriggeblieben, als den Weg über die Quote zu nehmen.

„Es gibt Förderungsrichtlinien, aber das ist doch nur ein Stück Papier. Das muß doch mal in die Tat umgesetzt werden. Und das wollte ich wissen“, setzt die 53jährige in noch immer kämpferischem Ton nach. Als persönliche Schlappe empfindet sie das Urteil nicht, schließlich „hat sich wenigstens mal was bewegt“. Im übrigen ist sie froh darüber, daß die vierjährige Prozedur nun vorbei ist, die nicht nur Freizeit und Privatleben massiv beeinträchtigte. Auch das Arbeitsklima im zweiten Stock des Gartenbauamtes, wo Heike Glißmann Tür an Tür mit ihrem Kontrahenten Eckhard Kalanke arbeitet, litt unter der andauernden Auseinandersetzung über die Quote. „Schon die Bewerbungszeit, die Schlichtung, die Einigung, dann die sechs Gerichtsverfahren, die wir durchgemacht haben – da wurden mehrere einstweilige Verfügungen gegen meine Beförderung eingereicht. Das hat natürlich zu Distanz geführt, zu kühler Sachlichkeit.“ Fraglich ist, ob sich die kommissarische Abteilungsleiterin des Gartenbauamtes noch einmal bewirbt, wenn die Stelle neu ausgeschrieben wird: „Ich weiß nicht, ob ich kampflos aufgebe, aber ob ich dies alles noch einmal durchstehe, kann ich heute nicht beurteilen.“ Anders Eckhard Kalanke: In einer eigens einberufenen Pressekonferenz, bei der ihm drei Anwälte sekundierten, machte der Gartenbauingenieur klar, wie er sich die Zukunft vorstellt. Er wird den Schreibtisch von Heike Glißmann einnehmen, die ihrerseits als seine Untergebene weiterarbeitet. „Das halte ich für realistisch“, gab der 58jährige an, gleichwohl bezeichnet er das Verhältnis zu Heike Glißmann als „etwas gespannt“. Daß das Urteil möglichwerweise Tausenden von Frauen den Aufstieg erschwert, ist für ihn kein Problem. „Durch das Urteil ist doch erst die Chancengleichheit hergestellt worden“, erklärt er. Worin diese Chancengleichheit besteht, kann Kalanke freilich nicht sagen: „Durch Mutterschaftsdinge und so weiter“, ergänz er unsicher.

Auch die Anwälte bezeichnen das Urteil als „Schritt in die Richtung zu einer wahren Gleichberechtigung“. Herr Kalanke sei es niemals darum gegangen, den Interessen der Frauen zu schaden. Aber er sei als Mann benachteiligt worden. „Durch die von ihm angestrengte gerichtliche Prüfung konnte Herr Kalanke feststellen lassen, daß er als Einzelperson Gleichbehandlung für sich in Anspruch nehmen kann unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Geschlechtsgruppe.“ Dora Hartmann, Bremen