Flüchtling ins falsche Land abgeschoben

■ Statt in den Libanon schiebt der Bundesgrenzschutz einen abgelehnten Asylbewerber vom Frankfurter Rhein-Main-Flughafen in den Sudan ab

Frankfurt/Main (taz) – Nach Angaben der Flüchtlingshilfeorganisation „Pro Asyl“ soll der Bundesgrenzschutz (BGS) am Rhein- Main-Flughafen einen aus dem Sudan stammenden abgelehnten Asylbeweber rechtswidrig in die sudanesische Hauptstadt Khartum statt ins libanesische Beirut abgeschoben haben. Sowohl das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch das Verwaltungsgericht in Frankfurt hätten zuvor entschieden, daß der Mann, der dem im Sudan verfolgten Volk der Nuba angehört, nur in den Libanon abgeschoben werden dürfe. Aus dem Libanon war der Asylsuchende auch in die Bundesrepublik eingereist. Der Bundesgrenzschutz war zunächst nicht in der Lage, eine Stellungnahme zu den Vorwürfen von „Pro Asyl“ abzugeben. Man müsse zunächst den Bericht der Organisation „genau prüfen und auswerten“, sagte BGS-Sprecher Rippert auf Nachfrage. Der Sprecher der Bundesorganisation von „Pro Asyl“, Volker Maria Hügel, wertete das Verhalten des BGS als „flagrante Verletzung des Zurückschiebeverbotes der Genfer Flüchtlingskonvention“, die nicht als „Panne“ abgetan werden könne. „Pro Asyl“ verwies auf die Abschiebeentscheidung des Bundesamtes vom 21. September 1995, in der es wörtlich heißt, daß der Flüchtling, sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, „in den Libanon abgeschoben“ werde. Der Sudanese verfügte über eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für dieses Land. Das danach vom Anwalt des Flüchtlings angerufene Verwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung der Bundesbehörde: „Es sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine Verfolgungssicherheit des Antragstellers im Libanon sprechen... Dem Antragsteller droht im Libanon weder politische Verfolgung, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsteller in den Sudan weitergeschoben würde.“ Nach Auffassung von „Pro Asyl“ hätten sowohl das Bundesamt als auch das Gericht damit hinreichend deutlich gemacht, daß vom BGS nur eine Abschiebung in den Libanon hätte vorgenommen werden dürfen. Am 10. Oktober 1995, nur 15 Minuten vor Abflug der Maschine in den Sudan, habe der BGS den Anwalt des Sudanesen davon in Kenntnis gesetzt, daß sein Mandant nach Khartum abgeschoben werde, sagte ein Sprecher von „Pro Asyl“ in Frankfurt.

Da der BGS am Flughafen bei allen wesentlichen Entscheidungen in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium handele, stellt sich für „Pro Asyl“ erneut die Frage, „welche Absicht die Bundesregierung mit ihrem Kurs verfolgt, den sudanesischen Diktatoren Flüchtlinge frei Haus zu liefern“. Volker Maria Hügel von „Pro Asyl“ forderte den Bundesinnenausschuß auf, Hintergründe der Abschiebung offenzulegen. Klaus-Peter Klingelschmitt