Voran ohne Quotenzwang

■ Der Europäische Gerichtshof erklärt Regelung von sieben Bundesländern zu Frauenförderung für rechtswidrig

Bremen/Luxemburg (taz) – Frauen dürfen bei Bewerbungen und Beförderungen nicht allein aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt werden. Mit dieser Grundsatzentscheidung hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg gestern die gesetzlichen Vorschriften zur „Frauenquotierung“ in sieben Bundesländern für unrechtmäßig erklärt. „Eine nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräumt, geht über eine Förderung der Chancengleichheit hinaus“, heißt es in dem Urteil. Dies bewirke „eine Diskriminierung der Männer aufgrund des Geschlechts“. Zulässig seien lediglich „Maßnahmen, die Frauen spezifisch begünstigen und darauf ausgerichtet sind, deren Fähigkeit zu verbessern, auf dem Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren“. Gegen die Entscheidung ist kein Rechtsmittel möglich.

Damit werde „die ohnehin schwindende Akzeptanz der EU weiter in Frage gestellt“, reagierten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Frauenministerinnen von acht Bundesländern auf das Urteil. In der Frauenquote eine Benachteiligung von Männern zu sehen sei „frauenpolitischer Zynismus“. Die Ministerinnen aus Hamburg, Niedersachsen, Rheinland- Pfalz und Schleswig-Holstein haben diese Erklärung jedoch nicht unterschrieben. Sie hoffen noch, ihre vom Bremer Gleichstellungsgesetz etwas abweichend formulierten Regelungen trotz des Luxemburger Urteils retten zu können.

Die CDU-Abgeordnete und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth warnte mit Blick auf ihre Partei: „Das Urteil hat mit der anstehenden Entscheidung des CDU- Parteitags über die Einführung eines Frauenquorums nichts zu tun.“

Bremens Frauensenatorin Tine Wischer meint, nun müßten Frauen „gemeinsam und mit geballter Frauenkraft“ Einfluß auf die Bundesregierung nehmen. Die soll im nächsten Jahr bei der Nachverhandlung über die Maastrichter Verträge dafür sorgen, daß die Frauenförderung europaweit verbindlich festgeschrieben wird. Bisher hat Bonn sich in dieser Richtung nicht hervorgetan. Als letztes EU-Mitglied weigert sich Deutschland zum Beispiel standhaft, das „Vierte Aktionsprogramm zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen (1996–2000)“ zu unterschreiben.

Frauenministerin Nolte und Bayerns Frauenbeauftragte Barbara Stamm sehen in dem Urteil keinen Rückschritt. Stamm sieht sich in ihrer Ansicht bestätigt, daß „Frauen genug Intelligenz, Kraft und Durchsetzungsvermögen haben, daß sie sich auch ohne Quotenzwang aufgrund ihrer Leistung durchsetzen“.

Anlaß für das Luxemburger Urteil war eine Stellenbesetzung im Bremer Gartenbauamt, bei der sich 1990 eine Frau gegen ihren männlichen Mitbewerber durchgesetzt hatte. Der Personalrat hatte gegen die ursprünglich geplante Besetzung der Stelle durch den Mann mit Hinweis auf das gerade in Kraft getretene Landesgleichstellungsgesetz erfolgreich Einspruch eingelegt. Der Mann war vor Gericht in allen Instanzen erfolglos geblieben. Das Bundesarbeitsgericht hatte den Fall dann dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Dirk Asendorpf Seiten 3 und 10