„Ganz nett, der Metz“

■ Beim 65. Hochzeitstag geben sich die Präsidenten die Klinke in die Hand

Die Kameen-Brosche am Hals von Ella Röper wippt. Ihre Augen leuchten hinter der Brille, wenn sie einer der BesucherInnen die Anzeige in der Bremer Zeitung zeigt. Ihr Name steht da und der ihres Mannes Heinrich natürlich, denn ohne ihn wäre der 18. Oktober kein Festtag. „Wir gratulieren unseren Großeltern Ella und Heinrich Röper zur eisernen Hochzeit“, steht in der Anzeige. Die Enkel konnten zum 65. Jubiläum der Ehe nicht kommen, weilen sie doch gerade auf den Seychellen.Nicht so weit entfernt und auch sehr gern kommt bei derartigen Anlässen Reinhard Metz. Zu seinen Pflichten als Präsident der Bürgerschaft gehören auch Familienfeiern. Natürlich nur, wenn sie etwas besonderes sind: Geburtstage jenseits des 100., Hochzeiten nach dem in jungen Jahren unvorstellbaren 65. Jubiläum. Mit zwei Flaschen Wein aus dem Ratskeller, auf dem Präsentkarton abgebildet, überbringt Metz Gratulationen und die besten Wünsche zum Feste.

„Langen Sie man ordentlich zu“, fordert ihn Ella Röper auf. Kalte Platten reihen sich auf dem Wohnzimmertisch aneinander, Wurst und Schinken, Fisch und Krabben. „Ich esse das so gern, aber darf ja nicht“, bedauert Frau Röper und klopft ihrem Mann auf die Knie. Ja es ist ein Jammer, daß ausgerechnet drei Wochen vor dem Hochzeitstag eine Magenschleimhautentzündung Ella Röper das Leben begann zu vergällen. „Wie sind wir alt geworden“, wundert sich die Frau. Blutjung war sie, als sie mit 18 Jahren ihren Heinrich geheiratet hat. „Wir hatten Blödsinn gemacht und dann mußten wir“, sagt Ella Röper. Neun Tage nach der Hochzeit kam der erste Sohn.

Natürlich haben sie sich kirchlich trauen lassen. „Obwohl mir der Pastor mal eine runtergehauen hatte“, sagt Heinrich Röper. Das verzeihe er ihm nie, nur weil er ein paar Bücher hatte hinfallen lassen. Aber vergeben und vergessen. Zum 65. Hochzeitstag kommt auch „die Frau Pastorin“ von der St. Jacobi Gemeinde. Sie hat ein Buch über die bremischen Kirchen dabei, gratuliert und fädelt sich zwischen die NachbarInnen und FreundInnen auf dem Sofa und Stühlen ein.

„Nicht einmal erzürnt haben wir uns in den ganzen Jahren“, sagt Ella Röper, guckt ihren Mann an. Mit der rechten Hand klopft sie ihm weiter aufs Knie. „Aber nur weil ich immer nachgegeben habe“, glaubt Heinrich Röper und drückt die Hand seiner Frau. Aber da klingelt es schon wieder. Der Abgesandte des Ortsamtes Neustadt möchte Grüße und Wünsche loswerden. Henning Scherf, Präsident des Senats, schickt eine Flasche Wein aus dem Ratskeller, ebenfalls im Präsentkarton, und einen Glückwunsch auf Bütten. Bundespräsident Roman Herzog übermittelt gar einen Scheck über 250 Mark. „Das Geld hätten wir viel eher gebraucht“, ruft Heinrich Röper.

Als er heiratete 1930 habe er lächerliche 25 Mark im Monat verdient, da habe er nicht mal mit seiner Ella zusammenziehen können. Draußen in Dickel auf dem Lande habe sie die ersten drei Jahre wohnen müssen. Auf dem Hof, den jetzt der jüngste Sohn bewirtschaftet. „Kennen Sie die Landwirtschaft denn auch, Herr Metz?“, will Ella Röper wissen.

„Es macht den Leuten wirklich Freude, wenn der Präsident kommt“, sagt Brigitte Melchert, in der Bürgerschaft auch für die Besuche des Präsidenten zuständig. Vier bis fünf eiserne Hochzeiten im Monat besucht sie mit ihm zusammen. Dazu kommen allein im Oktober sechs Geburtstage von Hundertjährigen oder noch Älteren. Statistisch werden die Deutschen immer älter und auch Brigitte Melchert wundert sich wie „erstaunlich viele so alt werden“. Dennoch sind keine Hundertjährigen Feste in der Stadthalle zu erwarten: „Über die Jahre ist das gleich geblieben.“

Die FreundInnen der Röpers rücken noch ein wenig zusammen, schon wieder hat es an der Tür geklingelt. Heinrich Röper fühlt sich „sauwohl“. Durch Krieg und Gefangenschaft, Arbeitstreß in der Spedition und die Jahre im Kaisen-Haus haben seine Ella und er es geschafft. Doch – so nett es auch ist – der Bürgerschaftspräsident muß gehen. Röpers und ihre FreundInnen sind sich einig: „Der war ganz einfach, der Metz“. ufo