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Der ewig zarte Schmelz der Heimat

■ Pasquale, Exil-Sarde, Entertainer und der „Celentano von Bremen“, singt und kellnert sich durch die Kneipen der norddeutschen Tiefebene

Zerknautscht der Anzug, zerknautscht der ganze Kerl – aber eine Stimme, eine Stimme ...wie Sand und Seide. Aus tiefstem Herzen holt Pasquale seine Vokale hoch, läßt sie durch die rauhe, weingegerbte Kehle rollen, über die Zunge, die Lippen: „Uuuna festa su pratiii ...“ Seufzer im Publikum, drunten im Keller des „Scusi Tedesci“. Selbst den geschniegelten Ragazzi wird's ganz warm ums Herz. Erinnerungen werden wach. Holde Heimat, bella Italia, Motoguzzi und Celentano – Pasquale, wie war das noch damals, in den 60ern, als Du mit Celentanos Hit die Herzen der sardischen Mädels erobertest?

Natürlich war Pasqale nicht immer „der Celentano von Bremen“, der als singender Kellner die heimischen Wirtschaften durchwandert. Zunächst mal lernte er nämlich: Autoschlosser. Alfa Romeo, capisce? Dann das Hotelfach. Aber im Grunde war er natürlich doch eher Sänger: „Ich habe von Natur aus Talent.“ So einfach ist das.

Solche Sangestalente bleiben natürlich nicht unentdeckt. Selbst wenn sie in entlegenen Städtchen auf Sardinien hausen. „Es gab zwei gute Sänger bei uns in Cuglieri“, einer davon selbstverständlich Pasquale. Den wollten sich auch die Organisatoren des „Sardegna Canta“ nicht entgehen lassen. Eines Tages klopften sie an die Türe: Ob der Kleine mit dem Kraftorgan, Pasqualito („so nennt mich meine Familie noch heute“), sein „Azzurro“ nicht mal vor großem Publikum bringen wolle, beim landesweiten Sangeswettbewerb? So tingelte Pasquale, sein Celantano-Repertoire im Handgepäck, von Dorf zu Dorf – zweimal, 1967 und –69, schnulzte er sich an die Spitze.

Heute drucken die „Scusi Tedesci“-Wirte immer noch stolz den alten Siegertitel auf ihre Einladungskarten, wenn Pasquale („Sieger des Sardegna Canta 1967“) alle paar Wochen als Entertainer die italienische Nacht des Hauses schmeißt. Daß er singen und kellnern kann, wird allgemein geschätzt: „eine Autorität in den Bremer Kneipen“, raunen die Chefs. Zunächst aber war Pasqualitos Handwerkskunst gefragt. Alfa Romeos wieder in Schuß bringen – das war genau das, womit ein italienischer Einwanderer 1970 bei den Deutschen landen konnte. Dann aber wechselte doch lieber wieder rasch ins Wirtschaftsleben, ins bunte. Gesungen wurde auch viel. „Ricky Shane, das war ein guter Freund von mir“. Halbitaliener, übrigens. Im Duett gab's „Senza luce“, die Landdiscos von Ritterhude bis Asendorf durften den Doppelschmelz des Einwandererduos erleben.

Natürlich wollte Pasquale eigentlich „nur ein Jahr bleiben“, die Sprache lernen („da bin ich ein Naturltalent“) und dann wieder singenderweise in Richtung Sardinien ziehen. Aber dann hat er sich doch den Traum von eigenen Ristorante erfüllt. Am Breitenweg machte er 1976 seinen Laden auf. Spezielles aus Sardinien? Aber klaro: Porcetta con Milto zum Beispiel, Spanferkel mit Milto, dochdoch, das wächst praktisch nur auf La Sardgena, ein kleines, schwarzes Gewürz, süß und pikant, also einfach unbeschreiblich ...

Mit einer lässigen Handbewegung wischt Pasquale das Thema vom Tisch. Naja, das Lokal habe er dann halt nach zwei Jahren wieder verkauft. Den Eissalon übrigens auch. Jetzt kellnert und singt er wieder in anderer Leute Gaststuben. „Auch moderne Versionen“, „Marina“ z.B. in aufgefrischtem Gewand, Lieder von Fausto, Drupi ... aber am liebsten immer noch und immer wieder: Celentano. Anfang November naht die nächste „italienische Nacht“ im „Scusi“. Der Titel, wie immer: „Una festa sui prati“. Ciao, bello! tw

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