Das Kapitel Herder ist vorbei

■ Herder-Buchhandlung am Tauentzien schließt im März 1997, dafür kommt Hugendubel aus München / Buchhändlerverband: "Konsolidierung" auf Buchmarkt

„Der Geschäftsbetrieb läuft volle Pulle weiter“, kommentierte gestern der Geschäftsführer der Herder-Buchhandlung am Tauentzien, Franz-Ludwig Martin, das bevorstehende Aus seiner Filiale. „Bis wir am 31. März 1997 aufhören.“ Dann wird Deutschlands größte Buchhandlung, Hugendubel aus München, in die Räume von Herders „Flaggschiff“ gegenüber der Gedächtniskirche einziehen. Das Scheitern von Herder liege aber keinesfalls an den Verkaufszahlen, so Martin. In den letzten Jahren habe man „immense Steigerungen“ erzielt.

Die gestiegenen Umsätze erklärt ein Verlagsmitarbeiter aus der Freiburger Zentrale mit dem Rückzug anderer großer Häuser aus Berlin wie des französischen Konzerns Fnac und des britischen Medienhauses Virgin. Trotzdem macht nun auch Herder dicht. Es sei „ein offenes Geheimnis“, daß die enormen Mieten „ein Hauptgrund“ zum Rückzug seien. Außerdem habe Herder an den zehn Millionen Mark Investitionen für den Umzug vom Adenauerplatz zum Tauentzien von 1991 zu tragen. Der Riesenumsatz reichte also offenbar nicht aus, um das Geschäft zu halten. Ob Herder Ausschau nach einem anderen Standort in Berlin hält, war gestern nicht zu erfahren.

Der Geschäftsführer des Verleger- und Buchhändlerverbandes Berlin-Brandenburg, Detlef Bluhm, zeigte sich nicht überrascht über Hugendubels Einstieg in Berlin. Seit Jahren habe der Münchner Interesse gezeigt. Erstaunt ist Bluhm jedoch über „die schnelle Entscheidung“ und den Standort. Er habe mit der Friedrichstraße oder dem Alex gerechnet. Doch eine bessere Lage als den Tauentzien hätte Hugendubel nicht finden können. Nun sei abzuwarten, wie Hugendubel das Problem der hohen Miete und der geplanten Erweiterung auf 2.500 Quadratmeter Verkaufsfläche durch die Hinzunahme der Räume der Fast- food-Kette „Burger King“ lösen werde. Ein Vorhaben, von dem „Burger King“ nach Angaben eines Managers aus der Zeitung erfahren habe.

Nach Einschätzung von Detlef Bluhm könne man angesichts der Schließung von Herder keineswegs von einem Buchhandelssterben in Berlin sprechen. Der Berliner Markt sei „gesund und lebendig“ und gekennzeichnet durch ein sehr differenziertes Angebot und eine große Kundentreue. Nach dem „vereinigungsbedingten Scheitern“ von Fnac, Virgin und Bouvier an zu hohen Mieten und „nicht ganz durchdachten Konzepten“ befinde sich der Markt nun in einer „Konsolidierungsphase“. Diese werde durch Hugendubel „nicht wesentlich“ beeinflußt. Bluhm räumt Hugendubel mit seinem „Multimediahaus“ bessere Chancen ein, weil er mit seinen zwölf großen Läden in Deutschland über genug Erfahrung verfüge. Es sei eine Frage des Marketings der anderen Buchläden, eventuelle Verluste von Stammkunden durch Zugewinne aus dem bevorstehenden Regierungsumzug wettzumachen. Denn immerhin sei der Staat „der größte Auftraggeber für den Buchhandel“.

Kiepert sieht dem Einzug Hugendubels gelassen entgegen. „Wir freuen uns, daß er kommt“, so Firmenchef Robert Kiepert. Er befürchte keinen Konkurrenzkampf mit großen Verlusten. Sicher würden viele Kunden dem „Reiz des Neuen“ bei Hugendubel erliegen. „Aber die Welle wird wieder zurückschwappen“, ist Kiepert sicher. Die Filiale in der Hardenbergstraße soll, unabhängig von Hugendubel, im nächsten Jahr von 5.000 auf 5.700 Quadratmeter erweitert werden. Der Schwerpunkt werde aber weiterhin auf dem Buch liegen. „Multimedia betreiben wir, wie es der Markt verlangt“, so Kiepert. Barbara Bollwahn