CDU streitet sich um 25.000 Arbeitsplätze

■ Haushaltskrise: Finanzsenator will Stellenabbau, Fraktionschef ist dagegen

Der Wahlkampf der CDU lief wie am Schnürchen – bis gestern. Seit Mittag streiten sich einmal nicht die Sozialdemokraten, sondern zur Abwechslung diesmal CDU-Finanzsenator Elmar Pieroth und CDU-Fraktionschef Landowsky. Die Frage: Wie bekommt man Berlins dramatische Haushaltslage in den Griff? Pieroth will bis zum Jahr 2000 noch einmal soviel Stellen im öffentlichen Dienst abbauen wie zwischen 1991 und 1996 – nämlich 25.000. Landowsky lehnt dies ab und will statt dessen sogenanntes Tafelsilber verscherbeln: Landesvermögen und Landesbeteiligungen wie an der Bewag, der Berliner Bankgesellschaft und den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sollen verkauft werden.

Der Streit ist vier Tage vor der Wahl ausgebrochen, weil sich mit der gestrigen Steuerschätzung die Haushaltslage dramatisch verschlechtert hat. Das für dieses Jahr eingeplante Defizit wird mindestens 1,7 Milliarden Mark höher ausfallen als erwartet. Aber nicht nur dieses neue Loch muß gestopft werden. Die Schulden Berlins sind unter der Großen Koalition von 18,6 Milliarden auf 42,8 Milliarden Mark explodiert. Die jährlichen Ausgaben Berlins von 43 Milliarden Mark müssen auch deshalb auf 39 Milliarden Mark im Jahr 2000 reduziert werden.

Landowskys gestrige Kritik kam überraschend. Denn Finanzsenator Pieroth hat bereits kurz vor der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses im September den Stellenabbau angekündigt. Tabus bei Polizei und Lehrerschaft schloß er dabei bereits ausdrücklich aus. Merkwürdig: Fraktionschef Landowsky schwieg damals. Nur die ÖTV schrie auf: „Dies bedeutet das Aus für eine sozial verantwortbare Politik.“

Landowskys gestriger Vorschlag, Landesvermögen zu verkaufen, ist aber auch abstrus. Verkäufe aus dem 100 Milliarden Mark schweren Topf von Vermögen und Beteiligungen würden die Einnahmen des Landes nur einmalig erhöhen, die Ausgaben aber nicht dauerhaft reduzieren. Die Bündnisgrünen kritisierten, daß sich darüber hinaus das Land durch weitere Aktienverkäufe von Energieunternehmen oder Gesellschafteranteilen bei Wohnungsbaugesellschaften seines Einflusses auf die Energie- und Mietenpolitik berauben würde.

Die SPD rieb sich gestern über das „haushaltspolitische Chaos“ bei der CDU natürlich die Hände. Wenn der Fraktionschef die Sparvorschläge des eigenen Finanzsenators zurückweise, zeige sich, daß die CDU in der Haushaltspolitik nicht handlungsfähig sei, meinte SPD-Fraktionsvorsitzender Böger. Vor der Wahl wollte Böger aber nicht verraten, ob er wie Pieroth den Stellenabbau für nötig hält oder wie Landowsky auf Verkäufe von Landesgesellschaften setzt. Dirk Wildt