■ Luftkurort bunkert seit Jahren 35.000 Kubikmeter Moor: Packt die Wannen schon mal voll!
Oy-Mittelberg (taz) – Der Bürgermeister von Oy-Mittelberg steht stolz vor einer ehemaligen Kiesgrube. „Da drin liegt dieses schwarze Gold“. Daß Wolfgang Hützler dabei recht verschmitzt dreinschaut, hat seinen guten Grund. Der Gemeindechef war anderen Nachbargemeinden vor vier Jahren eine Nasenlänge voraus, als er sich beim Ausbaggern eines großen Stausees im Allgäu kurzerhand 35.000 Kubikmeter Aushub sicherte. Denn dieser Aushub hat es in sich.
„Das ist gutes, hochwertiges Moor, wie uns ein Fachgutachten des Münchner Balneologen Professor Dr. Dr. Kleinschmidt bestätigt.“ Tatsächlich heißt es in dem Gutachten, daß „der in der Deponie Oy-Mittelberg gelagerte Torf allen A-priori-Anforderungen entspricht, die an ein therapeutisch verwendbares Moor gestellt werden.“
Die 4.300-Seelen-Gemeinde hatte sich auf der Gemarkung der Nachbargemeinde Nesselwang flugs eine ausgebaggerte Kiesgrube gekauft, sie mit Lehm abgedichtet und zwei Monate lang die schwarze Erde hinfahren lassen. Während andere noch schmunzelten, war auch der Deal mit der bayerischen Staatsregierung längst unter Dach und Fach. Nachdem der Torf am Grund des Rottachspeichers sowieso entfernt werden mußte, war das eine recht leicht zu erreichende Übereinkunft, und die Firma, die sich schon auf günstige Blumenerde gefreut hatte, schaute in die Röhre.
Ehe sich die Nachbarkommunen versahen, ward in Oy-Mittelberg eine Moor-Verwertungs-Gesellschaft gegründet, an der sich zu je 50 Prozent die Gemeinde und ein Tiefbauunternehmen beteiligten. Die Tatsache, daß ein Privatunternehmen kräftig mit investiert hat, stimmt in Oy-Mittelberg die Moor-Fans zuversichtlich, daß das „gewiß kein Flop wird“. Rund 300.000 Mark sind inzwischen in das Moor-Lager in der Kiesgrube investiert worden, und in absehbarer Zeit soll nun der warme Geldregen fließen.
Angesichts der nicht ganz unproblematischen Lage in den Kurorten baut man im Luftkurort Oy- Mittelberg auf das zweite Standbein mit den Moorbädern. Doch vor die Schlammbäder hat der Herr noch eine Reihe von Problemen gesetzt. Denn vom positiven Fachgutachten alleine kann die Gemeinde nicht leben.
„Wir können Packungsmoor, Dickmoorbäder oder Handknetmoor daraus machen, aber wir brauchen zuerst eine entsprechende Moor-Aufbereitungs-Anlage“, sagt der Bürgermeister. Dazu noch ein entsprechendes Vermarktungskonzept et cetera.
Momentan ist die Moor-Verwertungs-Gesellschaft dabei, eine Aufbereitungsanlage, so etwas wie eine Moor-Rüttel- und Schüttelanlage, zu konstruieren. Von der Stange weg gibt es so was nämlich nicht zu kaufen. Einige hunderttausend Mark müssen dafür noch investiert werden. Doch Wolfgang Hützler, Geschäftsführer der Verwertungs-GmbH, ist zuversichtlich, daß das Moor über einen Zeitraum von den nächsten 20 bis 25 Jahren hinweg den vier ortsansässigen Kurbetrieben die Möglichkeit „für einen kleinen, seriösen und guten Moor-Badebetrieb“ eröffnet. Auch den Nachbarkurorten gegenüber will man sich entgegenkommend zeigen, wenn die in Oy Moorpackungen erwerben möchten.
Vor dem Kurhaus hat man schon mal vorsorglich eine Moor- Tretanlage gebaut. Der Bauhofchef von Oy, Hans Müller, schwört auf die braune Erde in der Kiesgrube. „Des wird in jedem Fall a Gschäft, wo man doch heute nirgends mehr Moor abbauen darf und die großen Moorbäder ihre Heilerde bis aus Rußland herholen müssen.“
Daß dem Bürgermeister und seinen Mitstreitern immer wieder vorgerechnet wird, daß die Vorräte von 35.000 Kubikmeter Moor nicht lange reichen dürften, kratzt den Gemeindechef wenig. „Es gibt heute schon neue Badewannen, die mit 35 Litern auskommen. Wir werden damit nicht verschwenderisch umgehen, und Sie können mir glauben: Gerechnet haben wir sehr genau!“
Das „abgebadete“ Moor wird wohl in einer noch zu errichtenden Moor-Deponie fünf bis zehn Jahre gelagert und dann – angereichert mit frischem Moor – wiederverwendet, glaubt Wolfgang Hützler. Und außerdem hofft der rührige Gemeindechef, daß man bei anderen Bauvorhaben vielleicht noch auf weitere Moor-Vorkommen stößt. Der ortsansässige Friseur Raimund Scholz macht schon lange ein kleines Zusatzgeschäft mit Moorbädern aus einem benachbarten Abbaugebiet. Klaus Wittmann
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