Brrm, brrm, brmm – rumms

Grauenhafte und ekelerregende Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält, Folge X: Formel 1 – Immer im Kreis herum, bis zum großen Crash  ■ Von Albert Hefele

Autofahren ist schön. Man setzt sich in einen Kasten aus Metall und Plastik, bindet den Oberkörper am Sitz fest und tappt mit dem Fuß aufs Pedal. Brrm, brrm, der Kasten setzt sich in Bewegung. Mit dem Steuerrad kann man um die Kurve lenken oder einfach nur geradeaus fahren. Vor dem Fenster schnurrt die Landschaft vorbei, manchmal muß man halten oder die Hupe drücken. Schön. Manche sagen: Da ist doch nichts dabei, und das könne doch jeder Idiot.

Das stimmt so nicht, zumindest nicht in vollem Umfang. Nicht jeder Idiot fährt nämlich Auto, aber fast alle, die Auto fahren, sind Idioten. Zumindest verhalten sie sich, während sie fahren, wie solche. Erklärungen für dieses Phänomen gibt es einen Haufen, ein Rest schierer Blödheit bleibt. Irgendein hartnäckiges Teilchen im menschlichen Organismus scheint der felsenfesten Überzeugung zu sein, der Vorgang des Autofahrens sei etwas Besonderes. Ja, adle den Piloten gar in gewisser Weise. Je schneller das Auto, um so höher das Adelsprädikat. Nach dieser Rechnung müssen Menschen in Rennwagen so etwas wie Könige sein. Oder Kaiser – ach was: Päpste! Mit offenem Maul bestaunt von den vielen, vielen Bauern in ihren Golfs und Opel Mantas. Warum sonst sitzen Rennsonntag für Rennsonntag Millionen von Kleinwagenführern vor der Kiste und betrachten sich eine, bei Licht betrachtet, todlangweilige Vorführung.

Oder ist es tatsächlich interessant, stundenlang Autos beim bloßen Fahren zuzusehen: Sssumm, sssumm. Nichts weiter. Von Dutzenden von Kameras beobachtet. Von oben, von innen, von nah, von fern. Aber die Überholmanöver – daß ich nicht lache! Überholmanöver. Fünf pro Rennen, wenn's hochkommt. Was passiert denn schon, wenn alles seinen geregelten Gang fährt? Der mit dem am besten vorbereiteten Auto hat am Start die idealste Position und läßt sie sich auch nicht mehr nehmen. Start- Ziel-Sieg heißt das. Gähn... Wenn – ja wenn nichts schiefgeht. Kein Flügel bricht, keine Leitung leckt, kein Schräubchen fehlt. Die Formel 1-Fans achten nicht darauf, wer am besten fahren kann, sie warten auf Pech und Pannen. Wer hat Regenreifen aufgezogen, obwohl es gar nicht regnet?

Dann muß er an die Boxen. Pit Stop. Einer hält eine runde Scheibe ins Bild, auf der „Break“ steht. Man schraubt an einem dicken Reifen, ein Helmmännchen betankt das Gefährt. Pardon: den Boliden. Und alles live zur laufenden Uhr. Tanken live. Das muß man sich mal vorstellen! Eine unglaubliche Spannung! Mit etwas Glück passiert der Boxenmannschaft ein Ungeschick. Einer stolpert und bricht sich was, oder die ganze Truppe geht in Flammen auf. Das darf man schon erwarten fürs Geld. Rennsport ist gefährlich. Und wo es gefährlich ist, gibt es Unfälle.

Ja, die Unfälle. Sie sind eindeutig das Salz in dieser ansonsten äußerst faden Schleimsuppe. Wer möchte schon zwanzig feuerfest eingepackte Piloten und ihre 750 PS-Raketen vernünftig und behutsam, auf sanft summenden Slicks um die Bahn lenken sehen? Kein Schwein. Die Tribünen von Hockenheim wären längst Ruinen, und der Asphalt des Nürburgringes wäre gelb vom wuchernden Löwenzahn. Ein Start ohne Karambolage? Protest! Ein Rennen ohne Krachen und Tatü-tataa? Geld zurück!

Nicht umsonst gibt es Videokassetten zu kaufen, auf denen nichts als Unfälle zu sehen sind. Formel 1, Tourenwagen, Motorräder, Trucks – alles fliegt durch die Luft, bricht in Stücke, geht in Fetzen. Das sehen sich keineswegs nur gemütsstumpfe Psychopathen in schummrigen Hinterzimmern an. Das hat jeder aufrechte Fan in seinem Videoschränkchen stehen. Motorsportfreunde sind deswegen keine schlechten Menschen. Oder gar Chaoten. Es hat im Gegenteil alles seine Ordnung. Immer das Bärtchen gebürstet und die Sitze gesaugt: „Sonst kommst du mir nicht aus der Garage.“ Wie der Herr, so's Gescherr. Rauhe Gesellen, aber in der Brust schlägt ein mitfühlend' Herz. Wenn einmal ein Fahrer in seinem Cockpit verschmort, ist man ehrlich betroffen und hängt noch Rennen später ein Leintuch aus dem Fenster: „Wir vergessen dich nicht.“ Ehrendes Gedenken und Respekt den Heroen des Asphalts.

Selbst der auf immer zum Kappentragen verurteilte Niki Lauda kann sich in jeder Talkshow sehen lassen, ohne daß man ihn jemals belächeln würde. Seiner fehlenden Ohren wegen.