"Ein Typ, der Filme macht"

■ Tom Hanks, der in "Apollo 13" den Kapitän Jim Lovell spielt und auch sonst alles Wichtige, hat recht unfeierliche Vorstellungen von sich und seinem Beruf

taz: Warum sind Sie Astronaut geworden?

Tom Hanks: Ich glaube, es gibt nichts Abenteuerlicheres und Spektakuläreres als Astronaut zu sein. Ich finde die Raumanzüge einfach cool und den Augenblick des Starts absolut überwältigend. Aber zu wissen, daß in diesen Handschuhen, in diesen Helmen und Druckanzügen Menschen aus Fleisch und Blut stecken, das ist die eigentliche Inspiration.

Daß man Maschinen konstruieren kann, die uns ins Weltall und wieder zurückbringen, finde ich ziemlich eindrucksvoll. Auch wenn manchen die technische Seite der Raumfahrt langweilig erscheint, würde ich sie mit großer Architektur oder großer Kunst vergleichen.

Das ging mir schon so, als ich noch ein kleiner Junge war und das amerikanische Weltraumprogramm ein Wettrennen zum Mond war. Gleichzeitig sind dann auch Physik, Naturwissenschaft, Geschichte und Politik im Spiel, die ganzen Budgetfragen, die ja dann auch Machtfragen sind ... Das fasziniert mich heute noch genauso wie damals.

Im Film bricht die Technik zusammen, und es kommt auf einmal wieder auf die Menschen an.

Ja genau, die Technik bricht zusammen, diese Maschinen gehen kaputt, und wir müssen uns etwas einfallen lassen, um sie wieder hinzukriegen.

Das scheint mir der entscheidende Punkt des Films zu sein, daß man sich nicht auf die Technik, sondern nur auf sich selbst verlassen kann.

Es gab einmal eine Zeit, als wir glaubten, alle Probleme lösen zu können. Wir waren überzeugt, daß es nichts gab, was wir nicht reparieren, lösen oder erreichen könnten. Ob es um die Beseitigung unseres Mülls ging, den Umgang mit unseren Nachbarn oder den Flug zu einem fernen Planeten.

Bei den Dreharbeiten haben wir Witze darüber gemacht, daß es in dem Film um einen Flug zum Mond geht – und das Ganze ist ein Historienstück und spielt im Jahre 1970.

Heute glaubt keiner mehr daran, daß man alles regeln kann. Der Normalfall ist, daß nichts funktioniert, alles kaputtgeht und wir die Sachen nie auf die Reihe kriegen.

Die menschliche Seite von „Apollo 13“ ist die: ein paar Streifen Klebeband, eine Plastiktüte und ein Pappkarton – das ist alles, was man braucht, um den CO2-Filter zu reparieren, um nicht am eigenen Kohlenmonoxid zu ersticken. Es ist schon kurios, daß diese Improvisationsgabe, die früher alltäglich war, heute einer der verblüffendsten Momente in diesem 50-Millionen-Dollar-Film ist.

Wollten Sie schon immer Schauspieler werden?

Als ich alt genug war, mir ernsthaft zu überlegen, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, dachte ich zuerst ans Theater. Ich war weniger auf der Suche nach einem Job, sondern eher nach einer bestimmten Lebensform. In einem Büro oder einer Fabrik zu arbeiten, das war nichts für mich. Ich suchte etwas Lebendigeres, Abwechslungsreicheres und dachte, das Theater wäre der richtige Ort dafür. Vielleicht als Schreiner, Beleuchter oder Bühnenarbeiter.

Als ich mir diese Jobs näher anschaute, merkte ich, daß man im Theater den meisten Spaß hat, wenn man als Schauspieler auf der Bühne steht. Ich hatte Glück und konnte da reinrutschen, und dann haben sich die Dinge soweit entwickelt, daß ich hier sitze und mit Ihnen rede.

Erinnern Sie sich noch, wie es war, als Sie darum kämpfen mußten, eine Rolle und eine Chance zu bekommen?

Oh Gott, allerdings kann ich mich daran erinnern. Das Härteste für einen Schauspieler in den Anfangsjahren ist, die Rollen nicht zu bekommen, um die man sich bewirbt. Du mußt dauernd zum Vorsprechen gehen, strengst dich an und gibst dein Bestes, und dann heißt es: Vielen Dank, aber wir können Sie nicht brauchen. Es ist verdammt hart, sich Tag für Tag, Woche für Woche auf eine solche Situation vorzubereiten und dann immer wieder abgelehnt zu werden, nach Hause zu gehen und sich Gedanken über das Abendessen zu machen. Um sich davon nicht entmutigen zu lassen, mußt du sehr entschlossen und von deinen Fähigkeiten überzeugt sein. Nur so schaffst du es, am nächsten Tag aufzustehen und mit hundert Prozent Engagement das nächste Vorsprechen zu absolvieren. Das ist verdammt schwer. Ich kann mich noch sehr gut an das Gefühl erinnern: Zu denken, ich war gut und habe die Rolle doch nicht bekommen.

Gab es Augenblicke von Verzweiflung, wo Sie aufgeben wollten?

Nicht Verzweiflung, aber sicher Frustration und die Angst, ob ich meine Rechnungen noch bezahlen könnte. Das gab es schon. Ich erinnere mich, wie ich nach New York gezogen bin mit dem Ausweis der Schauspielergewerkschaft in der Tasche und genug Geld, um eine Zeitlang zu überleben, und dachte: Ich gebe mir fünf Jahre. Wenn sich nach fünf Jahren nichts ergeben hat und ich nicht weitergekommen bin, dann war's das eben. Aber bis dahin sehe ich zu, wie ich über die Runden komme, lasse es locker auf mich zukommen, amüsiere mich, so gut es geht, und stelle mir vor, ich bin in Paris oder sonstwo.

Zum Glück ging es dann schneller, als ich eigentlich erwartet hatte. Ich konnte immer als Schauspieler von meinen Engagements leben und brauchte keine Nebenjobs anzunehmen.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, als Sie plötzlich soviel Erfolg hatten?

So plötzlich war das eigentlich nicht. Bei mir war es eher ein allmählicher Aufstieg. Zuerst habe ich in einer TV-Serie mitgespielt, die aber nicht sonderlich bekannt war und nicht von vielen Leuten gesehen wurde. Davon konnte ich gut leben und wurde ein bißchen bekannt, aber ich war nicht wirklich berühmt. Andere machten die Schlagzeilen im Filmgeschäft, nicht ich. Das habe ich zwei Jahre lang gemacht, dann war ich ein Jahr lang arbeitslos, bevor Ron Howard kam, der mir eine Rolle in „Splash“ angeboten hat. Das war mein erster Kinofilm, bei dem allerdings meine Partnerin Darryl Hannah die große Entdeckung war, auf die sich die Presse stürzte, nicht ich. Für die nächsten fünf oder sechs Jahre war ich einfach ein Typ, der Filme machte, erst dann ging es mit meiner Karriere richtig los. Also konnte ich mich ganz langsam daran gewöhnen, berühmt zu werden.

Jetzt, mit 39 Jahren und zwei „Oscars“, ja, jetzt stehe ich wirklich im Rampenlicht, aber weil diese Entwicklung so allmählich verlaufen ist, hat es die Sache für mich viel leichter gemacht. Wenn ich vor zwei Jahren ein unbekannter Schauspieler gewesen wäre und plötzlich „Philadelphia“ und „Forrest Gump“ gemacht hätte, dann würde ich hier kaum so ruhig sitzen und mich mit Ihnen unterhalten. Ich glaube, ich wäre ein anderer Mensch und vermutlich ziemlich gestört.

Man stellt sich vor, ein Hollywood-Star lebt sozusagen im Paradies. Gibt es etwas, worüber Sie sich Sorgen machen?

Nun, ich sorge mich um das Wohlergehen meiner Familie. Ich werde bald ein viertes Kind haben, und ich sorge mich darum, daß es den Kindern gut geht. Denn die öffentliche Aufmerksamkeit um meine Person färbt auch auf meine Familie ab, und das ist nicht unbedingt gut.

Im übrigen hoffe ich, daß ich weiter meinem Instinkt vertrauen kann, anstatt alles über den Kopf zu machen. Der einzige Maßstab für Erfolg ist Dauerhaftigkeit. Also wünsche ich mir vor allem, noch lange das tun zu können, was ich gerne mache. Ansonsten geht es mir wie jedem, der Verantwortung trägt für seine Familie. Darüber mache ich mir, glaube ich, die meisten Gedanken. Und das hat gar nichts damit zu tun, wieviele „Oscars“ ich gewinne oder nicht gewinne.

Sie wirken in Ihren Rollen manchmal so unschuldig. Wie spielen Sie das?

Ich habe einfach das Glück, Figuren spielen zu können, die überzeugt sind von dem, was sie tun. Ich glaube, diese Unschuld ist auch ein Ausdruck von Begeisterung. Die habe ich in meinem Beruf und kann sie einbringen, wenn ich jemanden wie den Astronauten Jim Lovell spiele, der auch diese Begeisterung besitzt.

Aber ich glaube, was ich spiele, hat weniger mit Unschuld als mit einem Mangel an Zynismus zu tun. Deshalb ziehen mich solche Rollen an. Ich spiele gerne Figuren, die sowohl gut als auch böse sind, die keine Heiligen sind, aber versuchen, im richtigen Moment das Richtige zu tun.

Obwohl es mir wahrscheinlich seltener gelingt, als die Leute denken, versuche ich das auch in meinem normalen Leben zu tun. Das schlägt sich dann in meiner Arbeit nieder. Ich bin ein glücklicher Mensch, wenn ich morgens aufwache. Ich halte mich selbst für jemanden, der das Leben eher positiv angeht.

Interview: Peter Paul Huth