Jim, Fred und Jack

Drei Männer auf verlorenem Posten: „Houston, wir haben ein Problem“ – Ron Howards Raumfahrtdrama „Apollo 13“ feiert den Sieg des einfachen Denkens über das Schwarze da draußen  ■ Von Mariam Niroumand

Großangelegtes Scheitern ist offenbar schwer im Kommen. Als eine Art Ed Wood für die Raumfahrt erzählt „Apollo 13“ eine weitere, noch schönere Geschichte des Mißlingens, die schließlich im Triumph der praktischen menschlichen Intelligenz über die kühlen Kalkulatoren einerseits und das Schwarze da draußen andererseits gipfelt.

Die Krise des Unternehmens Apollo 13 gehört zu den „Wo- warst-du-als-es-passierte“-Geschichtsmarkern, nach denen die Generation von Hauptdarsteller Tom Hanks noch ihre biographischen Uhren gestellt hat.

Mit gewisser Bitternis wird im Film allerdings wiederholt mißmutig angemerkt, daß das Interesse an der zweiten Mondlandung nach Neil Armstrongs Debut acht Monate zuvor überhaupt erst aufkam, als die Lage brenzlig wurde. Beim Start der Saturn Rakete am 11. April 1970 in Cape Kennedy, Florida, war keine der großen Fernsehstationen anwesend und das Ereignis somit ein Nichtereignis. Erst als an Bord ein Sauerstofftank explodierte, die Kapsel dramatisch an Treibstoff und Strom für die Bordinstrumente verlor, und als infolgedessen das Luftfiltersystem ausfiel, das die Astronauten vor Kohlenmonoxidvergiftung schützen sollte – erst da schaute die Welt auf dieses Raumschiff.

Chips, Gartenstühle und TV-Mondlandung

Wie jeder gute Abenteuerfilm hebt „Apollo 13“ im geschützten Zivilmilieu an: Je gemütlicher hier, desto schrecklicher das Schwarze da draußen! Die Frauen heißen Marilyn oder Susan, die Männer Jim, Fred und Jack; es gibt eine dufte Party mit Nasa-Kollegen vor dem Fernseher, Chips, Mondlandung gucken, bei Jim Lovell (Tom Hanks) zu Hause; „son: get a haircut“, und später mit der Frau draußen im Garten auf den Liegestühlen, in den Mond kucken: „Da ist dein Berg, bald werde ich ihn von dir grüßen.“ Diese Nixon-Behaglichkeit ist dazu da, von ersten Unglücksboten durchlöchert zu werden: Der kleine Sohn fragt hartnäckig nach der Kapseltür, auf die es später ankommen wird, Marilyn spült versehentlich ihren Ehering in den schwarzen Abfluß, Astronaut Mattinglys Kind kriegt die Masern, so daß sein Vater nicht mehr mitdarf, und warum muß es „Apollo 13“ sein, warum nicht einfach 15?

Ron Howard – Regisseur so froher Filme wie „Night Shift – das Leichenhaus flippt völlig aus“, oder „Splash – die Jungfrau am Haken“, aber auch „Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen“ mit Robert DeNiro – hat zu Recht Wert darauf gelegt, soviel echte Raumfahrt wie möglich in seinen Film zu bekommen. Nicht nur Helme, mit Preßluft aufgepumpte Anzüge und ein kompletter Verzicht auf Archivaufnahmen waren Bedingung, sondern auch hunderte von Loopings in der Mondkapsel, bei denen die Schauspieler für jeweils kurze Zeit eine Art Schwerelosigkeit erfahren. Beratung durch den wahren Jim Lovell und Crashkurse in Physik. Loop- di-Loop! Eine Kommando- und eine Raumkapsel wurden peinlich genau nachkonstruiert. Auf dem Universal-Studiogelände enstand die Bodenkontrollstation.

Schwarzes Glitzern, weißes Rauschen

Die Raumfahrtinitiative Deutschland war von dieser Retro-Manie so begeistert, daß sie, gemeinsam mit dem Verleih UIP, zum Film einen „Leitfaden für den Schulunterricht“ herausgegeben hat, in dem unter anderem betont wird, daß es sich bei der bemannten Raumfahrt um ein Kulturerbe erster Ordnung handelt:

„Viele Anwendungen sind schon so alltäglich, daß die Öffentlichkeit schon gar keine Verbindung mehr zur Raumfahrt herstellt. Die Meinung, ,Fernsehen kommt aus der Steckdose‘, herrscht vor. [...] Fast wichtiger als die wirtschaftlichen Impulse, die von diesem Satellitenbereich der Raumfahrttechnologie ausgehen, sind die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Informationsverteilung auf Politik und Gesellschaft. Der Fall der innerdeutschen Mauer, die Öffnung des ,Eisernen Vorhangs‘ sind nur so erklärbar. In Afrika und Asien können nur mit Hilfe der Raumfahrttechnik Bildungsprogramme verteilt und Gesundheitsaufklärung betrieben werden.“

Man versteht: Nur wer von ganz, ganz oben guckt, kann Heil bringen. Ähnlich sieht auch „Apollo 13“ die Mission der Raumfahrt. Das Siegel des Projektes zeigte drei vor der Sonne auf die Erde zu reitende Pferde mit der Inschrift: „Ex Luna, Scientia“. Vom Mond, das Wissen.

Wunderschön, wenn sie dann im All sind. Schwarzes Glitzern, weißes Rauschen. Alles schwebt, auch das Erbrochene der ersten Aufregung. Drei Männer arbeiten Hand in Hand, angefunkelt von ihrem Kontrollboard. Mit einem Schlag, nach der Explosion nämlich, ändert sich das Szenario so, daß man glaubt, es mit einem fliegenden Mausoleum zu tun zu haben. Alle Funktionen werden auf ein Minimum heruntergefahren: „Wir haben noch nie einen Amerikaner im All verloren, und wir werden auch jetzt keinen verlieren“, heißt es panisch aus der Kontrollstation, aber dann muß auch diese Stimme ersterben, denn sie verbraucht zuviel Strom. Sozusagen in Armeslänge fliegen sie am Mond vorbei. Die Temperatur sinkt. Die fantastischste Szene des Films zeigt eine abgedunkelte Kabine mit drei zur Salzsäule erstarrten, halb erfrorenen Astronautenmumien, die sich nicht regen, als das Radio schwerelos an ihnen vorbeifliegt. Ein Petula-Clark-Song tönt dumpf in die Nacht. Aliens sind hier ganz unnötig; das Schwarze da draußen reicht zum Fürchten völlig aus. „Houston, we have a problem...“

Derweilen, unten auf der Kontrollstation. Ed Harris, dessen Mittelname inzwischen wohl „Kombat“ ist, ist die angemessene Besetzung für Gene Kranz, den Flugaufsichtsleiter, der noch nie einen Amerikaner im All verloren hat. Kranz, ein im Korea-Krieg als Flieger hervorgetretener Offizier, leitet alle Anstrengungen von Mathematikern, Ingenieuren und Astronauten generalstabsmäßig daraufhin, den Stromverbrauch der Kapsel so zu drosseln, daß die Besatzung es bis zur Erde schafft. In einer an „Wall Street“ erinnernden Szene feilschen die verschiedenen Teams laut schreiend miteinander um Amperzahlen und Sauerstoffprozente. Einige werden mit exakt denselben Utensilien eingeschlossen, die an Bord sind und konstruieren aus Pappe und Tesafilm ein Gerät, mit dem die Astronauten Lithiumhydroxid statt Kohlenmonoxid atmen können. „Fixin' it with balin' wire“, triumphiert einer im Südstaaten-Drawl, die alten amerikanischen arts and crafts sind noch immer über die Rechenmaschinen überlegen. Pragmatismus und Kommunitarismus reichen sich hier feucht die Hand – einen solchen Film hätte es in den achtziger Jahren nicht geben können, jedenfalls nicht mit diesem Budget und diesem Box-Office-Erfolg.

Daß das Ganze auch wieder ein Film über das Kino selbst geworden ist, sieht man endgültig im Schlußszenario. Die Astronauten, inzwischen längst zu weltbekannten Stars geworden, werden per Stimme zur Erde zurückdirigiert. Wie ein Regisseur gibt Kranz den im Dunkeln Tappenden genaue Anweisungen. Deren Erfolg, die Rettung der drei Männer, zeigt sich als erstes darin, daß ein Bild von ihnen auf der riesigen Leinwand im Kontrollraum zu sehen ist. Es wird begrüßt wie eine Wiederauferstehung.

„Apollo 13“, Regie: Ron Howard. Mit: Tom Hanks, Bill Paxton, Kevin Bacon, Ed Harris, Kathleen Quinlan u.a. USA 1995, 120 Min.

Siehe auch das Interview mit Tom Hanks auf Seite 17