■ Die CDU ist Vorbote einer neuen deutschen Parteikultur
: Big Mac plus kurzweiliges Angebot

Hannelore Kohl steht vor einem McDonald's-Stand. In der Hand hält sie eine Frittentüte. Frau Kohl gibt sich genervt. Nicht mal die frittierten Kartoffelstäbchen kann sie ungestört essen. Soll sie auch nicht. Schließlich präsentiert nicht Krombacher oder Shell den CDU- Parteitag, sondern eben jene Fast- food-Kette mit dem Big Mac als Identifikationsobjekt. Diese Symbiose von selbsternannter Volkspartei und Appetitverwaltungsanstalt wirkt, hintergründig betrachtet, nicht nur werberisch. Ist die CDU insgeheim Vorbotin einer neuen Parteikultur in der Bundesrepublik? Schließen sich hier die Tiefflieger in Sachen Geschmack und Geist zusammen? Will die CDU, wie es beim Fast food bereits Brauch ist, mit kurzweiligen Begleitangeboten KundInnen (statt WählerInnen) werben für ein Produkt, das da heißt: Helmut Kohl und Konsorten? Wollen die ChristdemokratInnen so der zumindest herbeigeredeten Krise großer Parteien begegnen?

Auf dem Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe wurde dieser Tage versucht, die Partei neu in der Mitte des Volkes zu verorten. Die Begründung für das modernistische Gehabe: Heutige Aufgaben seien so komplex, daß sie nur in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis anzupacken sind. So weit, so gut. Auf dem Parteitag wird aber auch an einem Bild gezimmert, das schreit: Nur die CDU kann als Kopf und treibender Part ein solches Bündnis betreiben.

Der Mann, der die Beschwörung eines derartigen Konsenses überhaupt möglich macht, heißt Helmut Kohl. Nur durch die schwerfällig-selbstgefällige Art, durch den unverdeckten Macht- und Führungsanspruch dieses Mannes in seiner Partei und der Bundesregierung lassen sich derartige Floskeln erst verbreiten. Die CDU hat das Prinzip Kohl verinnerlicht und zum Ziel von Politik an sich erhoben. Dies kulminiert deutlich in der offenen Forderung vieler UnionistInnen, der Kanzler soll doch bitte 1998 erneut für die Partei in den Wahlkampf gehen. Trotz und entgegen seiner Ankündigung. Dahinter verbirgt sich nicht nur die Sorge, daß Menschen wie Rüttgers oder Schäuble die Partei nicht wieder in die Regierung bringen könnten. Dahinter steckt vor allem der Glaube, daß ein quasi-monarchistisch Regierender die Probleme der Menschen tatsächlich lösen könnte.

Jede(r), die/der sich gegen diese vermeintliche Überzeugung stellt, riskiert die Ungnade des Big Boss. Heiner Geißler bekam dies vor dem Parteitag wieder einmal zu spüren, als er die CDU vor einem Führerkult warnte und die Frage stellte, was nach Kohl komme.

So wie Kohl Ungnade für seine KritikerInnen parat hat, so kann er großzügig gegenüber seinen Treuen sein. Jürgen Rüttgers, ohnehin Kanzlervertrauter und seit 1994 der neue Superminister in Bonn, durfte den Parteitagsdelegierten einen ganzen Sitzungstag bescheren. „Weichenstellung für die Zukunft“ wurde dort diskutiert. Allerdings beschlossen die Delegierten an diesem zweiten Tag in Karlsruhe gar nichts. Es wurde palavert, mit Worthülsen um sich geworfen und die Vereinnahmung des DGB-Chefs Dieter Schulte zelebriert. Nicht mal die eigene Zukunft stand zur Debatte. Wolfgang Schäuble, immer noch als des Kanzlers Kronprinz gehandelt, ließ sich über SPD und Grüne sowie deren vermeintliche Nähe zur PDS aus. Wenn über Zukunft geredet ward, dann immer mit der Pathetik einer Stuyvesant-Reklame: „Come together!“

Nicht die harsche Antwort des neuen SPD-Geschäftsführers Müntefering auf Schäuble, sondern die von Hintze als neu eingeführten Veränderungen im Statut der CDU werden dieses Eiapopeia ein wenig aufbrechen. Die Partei hat, nachdem alle anderen bereits vorwegmarschiert sind, nun auch Mitgliederbefragungen eingeführt – aber nur für den Fall, daß auch die Parteispitze will, daß die Mitglieder wollen. Der Beschluß zum Frauenquorum indes ist Gewißheit. 30 Prozent aller wichtigeren parteiinternen Posten und Funktionen sollten nach Hintzes Vorstellung künftig an Frauen vergeben werden. Modern und zeitgemäß sollte die Partei werden. Wie weit jedoch Gleichstellungsregularien von der gesellschaftlichen Normalität entfernt sind, bewies der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil zur Quote. Danach war es dann kaum noch verwunderlich, daß auch die CDU-Delegierten sich nicht zu ihrem Quorum durchringen konnten. Wenn auch knapp, stimmte der Parteitag gegen den wenigstens halbherzigen Versuch. Schließlich hätte schon dieses knappe Drittel an speziellen Frauenplätzen in den Gremien und Parlamenten wieder in Frage gestanden. Dann etwa, wenn sich Männer bemüßigt gefühlt hätten, gegen ihre quotenbezogene „Diskriminierung“ zu klagen. Bis zur Änderung von europäischem Recht wäre das Quorum somit nicht viel wert gewesen.

Um den parteiinternen Wert ging es dem Initiator der Debatte aber ohnehin nicht. Die Wählerinnen waren Motivation für Hintze, gab selbiger im Parteitagsvorfeld offen zu, diese Neuerung zu entwerfen. Hatte die Union vor einigen Jahren noch einen sehr hohen Stimmanteil unter Frauen, so ist dieser inzwischen bedenklich gesunken. Mit dem Quorum sollte lediglich diesem Trend entgegengewirkt werden. Daß der Antrag an den Parteitag mit klassisch konservativer Politik bricht, haben Frauen, junge wie ältere, bereits im Vorfeld deutlich gemacht. Etliche der weiblichen Parteimitglieder haben kein Interesse an der statuarischen Verbesserung ihrer Ausgangsposition innerhalb der CDU. Sie seien keine Quotenfrauen, sagten einige. Sie wollten nicht in Konflikt mit den Männern in der Partei geraten, meinten andere. Und in der Tat: Es hat sich vorerst als unmöglich erwiesen, in der Partei Meinungen von Steffen Heitmann und die (dann) erlebbare politische Selbständigkeit von Frauen zusammenzubringen.

Auch diesen Konflikt hatte der Parteivorsitzende im Vorfeld gedeckelt. Dank seiner Fürsprache konnte das Thema auf dem Parteitag überhaupt angesprochen werden. Dank seines politischen Schwergewichts hielt es nun wenigstens Einzug in die parteiinterne Diskussion. Dank seiner Person fiel es nur knapp durch.

Die knappe Abstimmung zum Quorum kaschierte die im Raum stehende Frage nach der Post- Kohl-Ära. Über dem Parteitag stand sie dennoch – auch wenn sich darüber in der CDU derzeit noch niemand Gedanken machen will und darf. Der Big Mac der deutschen Konservativen steht davor. Mit der Ballung von Zuständigkeit in seinem Umfeld ist er Maßstab für all jene Gesprächs- und Politikrunden, in denen auch bei anderen Parteien um die politische Hegemonie gekungelt wird. Und somit erfüllt er tatsächlich eine integrative Funktion. Das Prinzip Kohl als Beispiel für Parteipolitik. Angela Marquardt