Palästinensische Boatpeople ankern im Mittelmeer

■ Niemand will aus Libyen Vertriebene aufnehmen. Sie haben Nahrung für 15 Tage

Nikosia/Berlin (AFP/rtr/taz) – 650 palästinensische Boatpeople ankern vor Zypern. Seit Dienstag liegt die unter zypriotischer Flagge fahrende „Comtesse M.“ vor Larnaca. An Bord sind aus Libyen ausgewiesene PalästinenserInnen, darunter 332 Kinder. Bisher hat sich kein Land bereiterklärt, sie aufzunehmen. In Larnaca durfte nur eine schwangere Frau von Bord gehen. Der Kapitän des Schiffes erklärte, er werde die zypriotischen Gewässer nicht verlassen, bevor für die PalästinenserInnen eine sichere Bleibe gefunden sei. Trinkwasser, Nahrungsmittel und Medikamente an Bord würden für etwa 15 Tage reichen.

Der palästinensische „Arbeitsminister“, Samir Gosche, sagte gestern, die Autonomiebehörde bemühe sich in Kontakten mit den libyschen, syrischen und zyprischen Behörden um eine Lösung. Sie wolle auch klären lassen, „warum die Palästinenser ausgewiesen wurden“.

Der Kapitän sagte dazu, bei den meisten Menschen an Bord handele es sich um Familien von Arbeitern, deren Arbeitserlaubnis in Libyen nicht verlängert worden sei. Sie hätten mehrheitlich syrische Reisedokumente bei sich.

Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi hatte Anfang September die Ausweisung von 30.000 Palästinensern angekündigt, angeblich um „den Mißerfolg der Autonomieabkommen (mit Israel) zu beweisen“. Seither wurden mehr als 5.000 Palästinenser aus Libyen ausgewiesen, von denen etwa tausend an der libysch- ägyptischen Grenze festsitzen.

Gaddafi hat auch die Ausweisung Tausender anderer AusländerInnen angedroht und zum Teil durchführen lassen. Im Sudan sollen nach Angaben eines Regierungsvertreters im Laufe dieser Woche 13.000 aus Libyen ausgewiesene Sudanesen eintreffen.

Neben dem Protest gegen das Abkommen der Palästinenser mit Israel will Gaddafi mit der Ausweisung auch auf die seit drei Jahren über Libyen verhängten UN-Sanktionen aufmerksam machen. Weil sich die libysche Führung weigert, zwei ihrer Agenten auszuliefern, die für den Anschlag von Lockerbie verantwortlich sein sollen, steht das Land unter Embargo. 1988 waren bei der Explosion an Bord eines US-Jumbojets 270 Menschen ums Leben gekommen. Der US- Geheimdienst CIA behauptet, zwei Libyer hätten die Bombe gebastelt. Um ihre Auslieferung zu erzwingen, gilt gegen Libyen seit 1992 ein internationales Luftembargo sowie ein Handelsverbot für Militaria und sogenannte Dual- Use-Güter. Dienstag hatte das UN-Komitee für die Einhaltung der Sanktionen einen Antrag Libyens abgelehnt, eine Million Ausländer auf dem Luftweg aus dem Land zu bringen. taud

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