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Gelber Sack für Korea

■ Wunder der Entsorgung: In den nächsten Tagen verläßt ein russisches Schiff den Bremer Hafen, um deutschen Müll nach Nord-Korea zu bringen

Zugig ist es an der Kaje der Kap-Horn-Straße. Trotzdem stinkt es. Im Zentrum des Gestanks ein Schiff aus Odessa. Die „Izmail“ wird gerade beladen mit 4.200 Tonnen Plastikmüll aus bundesdeutschen Gelben Säcken. Diese Wertstoffe sollen nach Nord-Korea verschifft werden.

„Das wird ins Meer gekippt, wenn Sie mich fragen“, antwortet ein Hafenarbeiter schlagfertig, aber falsch. Denn die zuvor sortierten Mischkunststoffe werden in Nord-Korea von BilliglohnarbeiterInnen nachsortiert und für den dortigen Markt zu Kunststoffprodukten oder Dachwellpappen recycelt. Die koreanische Großfirma steht unter der Kontrolle des TÜV, der von Honkong aus sämtliche asiatischen Firmen überwacht, die Wertstoffe aus dem DSD (Duales System Deutschland), genauer: von der DKR (Deutsche Gesellschaft für Kunststoff-Recycling) erhalten.

Von den 40 Millionen Tonnen Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen, die jährlich in Deutschland anfallen, bestehen etwa 5,4 Prozent aus Kunststoff. 530.000 Tonnen sollen 1995 den Weg der Wiederverwertung gehen, was auf zwei Arten geschieht.

Beim werkstofflichen Recycling wird das in Folien, Flaschen, Becher, Styropor und Mischkunststoff getrennte Plastik zu neuen Kunststoffprodukten umgewandelt. Das rohstoffliche Recycling dagegen zerlegt den Kunststoff in seine chemischen Bausteine. Für die entstehenden Ölgemische, Synthesegase sowie flüssigen oder gasförmigen Kohlenwasserstoffe existiert eine breite Anwendungspalette, zum Beispiel wird damit im Hochofen der Stahlwerke Bremen Eisenerz von Sauerstoff befreit. Daher favorisiert die DKR die rohstoffliche Verwertung. Doch um diese flächendeckend zu betreiben, reichen die fünf deutschen Anlagen nicht, die den Mischkunststoff in schüttfähige Körnchen verarbeiten.

Die mechanische Verwertung findet vorwiegend im Ausland statt. Lange Zeit importierte China riesige Mengen Plastikmüll. Ein Wechsel der Zuständigkeiten zwischen den Kantonregierungen und Peking brachte Chaos – die DKR stornierte die Verträge. Nord-Korea soll in diesem Jahr etwa 20.000 Tonnen Plastikmüll erhalten. Später eventuell mehr, denn die von der koreanischen Großfirma angegebene Gesamtkapazität von 50.000 Tonnen jährlich wurde bereits vom TÜV bestätigt.

Davon könnte Bremen profitieren. Im August startete hier das erste Schiff nach Korea. Ronald Platzdasch, bei der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft Betriebsleiter der Kap-Horn-Anlage, hofft auf weitere Umschläge, obgleich noch keine Verträge für 96 unterschrieben sind. Daß die Transporte nicht wie bislang über Hamburg oder das holländische Vlissingen gehen, verdankt sich der eher unmodernen Technik in Korea und Bremen: Korea hat keine Containerschiffe, könnte also die leeren Behälter, in denen der Müll üblicherweise verbracht wird, nicht zurückschicken. Also muß in Ballen transportiert werden, und dafür hat Bremen die Anlagen.

Etwa drei Wochen braucht die „Izmail“ für die Fahrt. Damit nicht wieder so ein Deaster passiert wie 1994, als Singapur einen stinkenden Frachter zurück nach Bremerhaven schickte, weil die Ladung Müll und keine Wertstoffe enthielt, wird die Fracht von der DKR am Hafen streng kontrolliert. Sogar der eigens aus Paris angereiste nord-koreanische Vizekonsul überprüfte, was seine Landleute demnächst auseinanderpuhlen. Koreanische Bedienstete sortierten an der Kaje etliche Ballen aus, aus denen braune Brühe tropfte. Die Grenze zwischen Müll und Sekundärrohstoff sei manchmal schwer zu definieren, räumt DKR-Pressesprecherin Claudia Schmitz ein.

Immerhin kriegen die Koreaner die Fracht umsonst. Auch Logistik und Transport zahlt die DKR, die eine Spedition mit der Durchführung beauftragt hat. Warum diese ein russisches Schiff geordert hat, weiß Ronald Platzdasch: „Versuchen Sie mal, für den Preis ein deutsches Schiff zu chartern!“ dah

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