Eine klare und saubere Sache

Wie Chipstüten und Bierflaschen doch noch im Mülleimer landen – Ein Ausflug mit den Saubermännern der „Klara Bella“ auf der Havel  ■ Von Elke Gundel

Ein grauer Herbstmorgen, Segelboote dümpeln auf der Havel oder liegen winterfest verpackt an Land. Beim Fischereiamt in der Havelchaussee 151 beginnt die Tagestour der „Klara Bella“. Ihr Name ist Programm: Dort, wo Walter Jähnig und sein Kollege Reinhard Wiedmann mit der „Klara Bella“ vor Anker lagen, da sind Uferzone und Wasser anschließend von Coladosen, Weinflaschen und Papierfetzen befreit. „Eine klare und saubere Sache“, übersetzt Jähnig.

Schiffsführer Walter Jähnig steuert eine kleine Badestelle an. Dank des Echolots weiß er genau, wo es zu flach wird: „1,20 Meter Wassertiefe brauchen wir schon“, und legt an einem Holzsteg an. Weiter geht es im Beiboot oder zu Fuß. Mit Gummistiefeln, Handschuhen und blauen Müllsäcken bewaffnet, machen sich Wiedmann und Jähnig daran, Müll und Treibholz einzusammeln.

Knoppers-Hüllen werden aus den Brennesseln geangelt, Plastiktüten aus dem Gebüsch gezogen und Bierflaschen aus dem Wasser gefischt. Wird im Ufergestrüpp das Gehen unmöglich, kriechen Jähnig und sein Mitarbeiter auf Händen und Knien weiter, den blauen Müllsack schleifen sie hinter sich her. Mittlerweile ist der gebürtige Sachse 58 Jahre alt, die mühselige Arbeit hinterläßt ihre Spuren. „Besonders die Hüfte macht Probleme“, sagt Jähnig.

Im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz entmüllen Jähnig und Wiedmann einen zehn Meter breiten Uferstreifen und das Wasser in den Uferzonen. Auch sonst ziehen die beiden unterwegs jedes Treibgut, das sie mit ihrer Muskelkraft an Bord hieven können, aus dem Wasser. Vom Frühjahr bis zum Herbst durchkämmen Jähnig und Wiedmann die Uferzonen von der Spandauer Schleuse bis zur Pfaueninsel und dem Wannsee. „Am meisten graust es mir im Frühjahr vor den ersten Touren“, meint Jähnig. Dann türmt sich der Müll des gesamten Winters am Ufer.

In zehn verschiedenen Tagestouren wird jeder der Abschnitte alle 14 Tage gründlich abgesammelt, vier Kubikmeter Styropor, Plastik, Glas und Holz pro Tag landen dabei mindestens auf dem Schiff. „Die Menschen sind krimineller geworden“, findet Jähnig. Früher hätten sie einfach nur ihren Müll liegenlassen, jetzt würden sie ihn im dichtesten Gestrüpp verstecken. Auf der „Klara Bella“ wird der Müll dann sortiert: Glas wird nach Farben getrennt und recycelt, ebenso wie das Treibholz, das geschreddert und zu Papier oder Sperrholz verarbeitet wird, der Restmüll wird verbrannt.

„Wir finden alles, was man sich nur vorstellen kann“, erzählt Walter Jähnig. In den letzten 17 Jahren hat er mit seinem Kollegen Kühlschränke, Tische, Einkaufswagen, Motorräder und Autos aus dem Wasser befördert. Am meisten ärgern ihn die vielen Flaschen: „Immer wieder schneiden sich Badende an den Scherben“, schimpft er. Sein spektakulärster Fund war eine männliche Leiche in einem Überseekoffer, der in der Havel trieb. „Der ist nicht ermordet worden, sondern wurde einfach billig von den Verwandten entsorgt“, meint Jähnig. Oft fehle eben selbst das Geld für eine Beerdigung.

Walter Jähnig zieht aber nicht nur Leichen aus der Havel, sondern rettet auch Ertrinkende. „Der Mann hat sich schon nicht mehr bewegt“, erzählt er. Da habe er ihn ins Beiboot gezogen, an Land gebracht und dort kurzerhand beatmet. „Dabei habe ich ihm zwar vier Rippen gebrochen, aber er hat wieder angefangen zu atmen.“

Und weil Walter Jähnig tagtäglich mühsam zusammenklaubt, was andere achtlos wegwerfen, kennt er mittlerweile kein Pardon mehr gegenüber Umweltsündern. Mountainbiker, die den Wald mit einer Moto-Cross-Piste verwechseln, werden von ihm lautstark zurechtgewiesen, auch vor Rangeleien schreckt er nicht zurück, denn aus denen geht er meist als Sieger hervor. Wer die Chipstüte ins Gebüsch wirft, bekommt gleich einen von Jähnigs blauen Säcken in die Hand gedrückt und „darf“ helfen, Müll zu sammeln.