■ Normalzeit
: Effektiv-Hascherei

Selten hat eine Wahlkampfparole so Furore gemacht wie die letztjährige Forderung der MLPD: „Arbeitsplätze für Millionen“. Heuer fordert die PDS: „Arbeit her!“ Das Diepgen-Regime verspricht „400.000 Arbeitsplätze bis 2003“, die Grünen versichern, bei ökologisch nachhaltigem Wirtschaften fallen mindestens ganz viele ABM-Stellen ab, die Hanf-Liga sieht angesichts all der erneuerbaren Energiereserven schon fast Vollbeschäftigung, und die SPD will über die „Selbstertüchtigung“ und die „lebenswerte Stadt“ bis „2000 netto 100.000 Arbeitsplätze“ schaffen. Die Krönung bieten ihre Gewerkschaften: Sie fordern 700.000 neue Arbeitsplätze.

Laut IG Metall kostet das 300 Millionen, also 428,50 Mark pro Platz – damit wäre ein „selbsttragender Aufschwung Ost“ hinzukriegen. „Die Arbeit ist zur Utopie geworden, jenseits davon gibt es kein Versprechen mehr!“ Realisieren soll das eine „konzertierte Aktion“ aus „Bund, Banken, Konzernen, den Ländern und den Gewerkschaften“. Die Funktionäre der IG Metall haben es dabei vor allem auf die „Nachfolgeeinrichtungen der Treuhand“ abgesehen, wo sie mit den obigen bereits Combats in Crime waren, vor allem auf die „Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“ (BvS). Die BvS, das ist die alte Treuhand ohne Birgit Breuel und Wolf Schöde abzüglich aller Manager, die ihre Privatisierungstheorien nun in einer eigenen Ostfirma umsetzen, und minus tausend Privatiseure, die jetzt in der TOB („Treuhand Osteuropa Beratung“) weitermachen: nicht nur im Ostblock, sondern auf der ganzen Welt.

Unlängst erzählte mir im Haus der Ministerien einer dieser TOB-Manager, daß er gerade aus Moskau käme, wo man sechs „Riesenkombinate zwischen Kamtschatka und Weißrußland und in scharfer Konkurrenz zu den Amerikanern, die überall sind“, privatisiere. Und morgen müsse er nach Simbabwe. Wieso Simbabwe: „Privatisiert werden muß überall!“ Die TOB gehört jetzt zum größten Teil der Berliner Landesbank, und bezahlt werden ihre Manager von der EU, der UNO, der Weltbank usw. Die TOB ist also nun eine astreine NGO (Regierungsunabhängige Organisation). Deswegen und weil die Gewerkschafter zunehmend nationalistisch denken, ist die IG Metall an der jetzt quasi herrenlosen BvS interessiert.

Die zum Nachbessern und zur Kontrolle übriggebliebene Rest- Treuhand würden die Gewerkschafter schon deswegen gerne übernehmen, um auf den alten Sitzungsprotokollen zu sitzen, damit ihre komische Vertretung der Interessen ostdeutscher Belegschaften durch die West-Genossen – Steinkühler und Rappe zum Beispiel – im THA-Aufsichtsrat nicht detailliert publik wird. Schon einmal verhinderten sie die Einsicht in diese Dokumente: als der Treuhand-Untersuchungsausschuß des Bundestages sie anforderte. Auch an der parteienverräterischen Rolle des IG-Metall-Treuhand-Juristen Jörg Stein wäre noch einiges aufzuklären. Ebenso beim Verhindern der Geltendmachung einer Durchgriffshaftung beim Treuhandkonzern – gegenüber seinen Stieftöchtern im Osten, wobei die Gewerkschaften den Betriebsräten jeglichen juristischen Beistand versagten.

Schließlich wären da noch eine mögliche Immobilienkungelei (ein „Deal“) bei den Ost-Gewerkschaftshäusern sowie die unsauberen Evaluierungen und klammheimlichen Entlassungen im übernommenen Apparat zu nennen. Der IG-Medien-Justitiar Henner Wolter, als Vorstandsberater im Osten tätig, spricht von einem „Beutezug“ der West-Gewerkschaften. Nun also auch noch die BvS: „zur aktiven Nachsorge in den Schlüsselsektoren und zur Mitwirkung am industriellen Aufbau“.

Während in vielen Einzelgewerkschaften nur noch über „Löhne runter“ versus „Besitzstände verteidigen“ gestritten wird, hat der DGB ein Grundsatzprogramm vorgelegt, das von der IG Medien mit „Sie sollten in den Arbeitgeberverband eintreten“ kommentiert wurde. Wenn IG Metall und Chemie die BvS erobern, wäre man damit der sozialistisch-Schröderschen Aufhebung des Gegensatzes von „Funktionär“ und „Macher“ ein Stück näher gekommen, auch die PDS wird das zu schätzen wissen. Wer weiß, vielleicht kriegen sie alle zusammen am Ende sogar noch eine regelrechte Einheitspartei hin, auf freiwilliger Basis. Helmut Höge

wird fortgesetzt