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Durchs DröhnlandHuschen fürs Radio

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Da haben sich Tausende von Wave-Mädchen die Haare an den Seiten abgeschnitten wegen ihr, haben sich in mattes Schwarz gehüllt und die Mundwinkel nach unten gezogen, jahrelang. Aber eigentlich kann die gute Anne Clark gar nichts dafür, ist sie doch all die Jahre, zehn Platten lang, beharrlich nur sie selbst geblieben. Inzwischen zwar nicht mehr so hager im Gesicht, die Zotteln ein wenig länger, aber immer noch guckt sie todsterbenstraurig aus ihren dunklen Augen. „Ich möchte sein, wo die Dunkelheit wohnt“, singt sie in „The Healing“, und die Heilung, die Linderung der Schmerzen kann sie nur finden in der „dunklen Stadt, wo Engel sich als Fremde verkleiden“. Man möchte sie knuddeln, vor allem weil sie inzwischen so einsam ist, jetzt, da alle ihre Kopien von den nächtlichen Tresen dieser Welt verschwunden sind. „Everything changes“ schreibt sie selbst, aber eines – möchte man hinzufügen – bleibt bestehn. Die leicht federnd dahingedröppelten Rhythmen aus einem schwarzen Kasten und ihre ausdruckslose Sprechstimme, die erzählt von Athen: „There's no whisper, no trace, no word, no sign.“ Und plötzlich wird einem klar, daß Anne Clark schon TriHop gemacht hat, bevor der überhaupt erfunden ward.

Morgen, 21 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Aus dem Dunstkreis der Amsterdamer Hausbesetzer- machen-Musik-Szene um The Ex und die Dog Faced Hermans kommen auch Donkey mit ihrem Ja-was-denn-eigentlich. Hier werden Einzelteile zusammengesetzt, mehr nicht. Da schabt die Gitarre, singen Menschen, passiert minutenlang nur eintöniges Gekloppe inklusive Rückkopplungen, als wären Velvet Underground aus dem Grabe gestiegen, und überhaupt ist das zwar Hardcore, aber auf eine wahnwitzige Art absolut unverdaulich. Das Ergebnis macht Sinn – aber nur, wenn man nicht nach ihm fragt.

Morgen (mit Desmond Q Hirnch und Viva Maria), 21 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Ein Benefiz für „Frauen- Raum“, ein Projekt des Vereins „Frauen für Frauen in Konflikt- und Gewaltsituationen“, sei erwähnt. Spielen wird Andrea Drogisch auf dem Didgeridoo, Salt,Walking Flash und Claudia Bridge, die ihre elektrische Gitarre, die sie noch bei den Cheerleaders spielte, schon seit geraumer Zeit mit der akustischen vertauscht hat, um seitdem leicht Ina-Deterig daherzukommen.

Am 22.10., 21 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg

Weil man sich denken kann, daß Menschen, die in den auf der ganzen Welt verstreuten Irish Pubs ihre Belastbarkeit austesten, auch mal wieder nach Hause gehen, nüchterner werden und Platten hören, gibt es die Levellers. Die originale Grölmusik aus der vergangenen Nacht wäre auf dem heimischen Hi-Fi zu peinlich, der unvermeidliche Schleier sorgt für Weichzeichner, und die Levellers spielen den Soundtrack dazu. Nicht, daß sie schlechte Menschen wären, keineswegs. Auch unsere Folkrock-Großverdiener aus Brighton haben sich an den allgemeinen Protesten gegen den „Criminal Justice Act“ beteiligt und dafür sogar Peter Gabriel gewonnen. Ja, wer solche Freunde hat. Daß ihre Musik ähnlich unentschieden ist wie der kleinste gemeinsame Nenner der englischen Protestwelle, macht sie nicht interessanter und auch noch weit weniger durchschlagskräftig.

Am 23.10., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108, Neukölln

Blurt spielen schon wieder in Berlin. Warum das so ist, erklären sie ganz schlicht: „Irmgard hat drauf bestanden.“ Irmgard Schmitz, Chefin vom Loft, ist der garantiert überzeugteste Blurt-Fan. Aber Irmgard ist nur die erste unter Gleichen, wohl kaum eine andere Band hat in der Stadt eine solch kleine, aber tödlich treue Fangemeinde: „Blurt in Berlin“, eine Live- Aufnahme, hieß ihre erste Platte. Und man kann sich ihrer sicher sein: Auf ewig krude flippt das Saxophon von Ted Milton über ein monotones Rhythmusgerüst, bleibt sein Humor versponnen, Massenwirksamkeit ausgeschlossen.

Aber wer sich zu einem Blurt-Gig wagt, wird chancenlos hineingezogen in die endlos gleichen Gitarrenschleifen von Jon Wigens und das stoische Schlagzeug von Paul Wigens. Milton spielt dazu den Clown und deklamiert seine angedadaten Texte. Manche nennen es Jazzpunk, manche glauben an den Kunstanspruch, andere nicht, manchmal spielen sie sogar Hardcore-Funk. Viele finden bei Blurt vieles, ohne daß sie selbst Kompromisse machen.

Am 25.10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Es gibt ja diesen Mythos, daß leichte Unterhaltung besonders anstrengend zu machen sei im Gegensatz zu schwerem Stoff. Entweder ist das völliger Quatsch, oder die Musik ist eine einsame Ausnahme. XL, schon wieder fünf Jungs, diesmal die multinationale Mischung mit Standort Berlin, beweisen, daß sehr schnell mit leichter Hand recht viel Belangloses hingehuscht werden kann.

Da gibt's ein wenig Gitarre, ebenso scham- wie charmelose Melodien und Texte aus Versatzstücken der Mainstreamgeschichte. Ironie oder Distanz oder Ideen gibt's leider nicht, XL sind ein absatzkalkulierendes Unternehmen, das „davon überzeugt ist, daß das individuelle Profil der Gruppe die Erwartungen aller Beteiligten erfüllt“ (Presse-Info). Früher hieß so was Adult Oriented Rock, was in sich ja schon ein recht affiger Ansatz ist. Was nicht heißt, daß sich das Huschen von XL nicht trotzdem bald im Radio finden könnte, weil das Huschen so gut dahin paßt und mehr als Huschen kaum noch verdaubar scheint.

Am 26.10. 22 Uhr, Duncker, Eintritt frei! Thomas Winkler

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