Chefärzte dürfen Kliniken abzocken

■ Senatoren Erhardt und Luther unterlaufen Parlamentsbeschluß. Chefärzte bleiben Spitzenverdiener

Wissenschaftssenator Manfred Erhardt und Gesundheitssenator Peter Luther (beide CDU) unterlaufen einen Parlamentsbeschluß, wonach die Nebeneinkünfte der Chefärzte an den Berliner Kliniken beschnitten werden sollten. Die Chefärzte nehmen für die Behandlung ihrer Privatpatienten das Personal und die Geräte der Kliniken in Anspruch und führen – wie der Wissenschaftsausschuß befand – einen zu geringen Teil der Einkünfte an die Krankenhäuser ab. Die 150 Chefärzte an den Unikliniken erzielten 1992 Nebeneinkünfte von ingesamt 40 Millionen Mark. Die gleiche Summe verdienten ihre 118 Kollegen an städtischen Krankenhäusern zusätzlich zu ihrem Gehalt. Deshalb beschloß der Ausschuß, die Abgaben anzuheben. Außerdem sollten sich die Chefärzte künftig an der Refinanzierung von medizinischen Geräten beteiligen.

Die beiden Senatoren wurden beauftragt, bis zum 1. Oktober eine Rechtsverordnung für städtische und Unikliniken auszuarbeiten. Während Gesundheitssenator Luther noch gar nichts vorgelegt hat, bleibt die Hochschulnebentätigkeitsverordnung von Senator Erhardt in entscheidenden Punkten hinter dem Beschluß des Parlaments zurück. Die Chefärzte können auch weiterhin Geräte mit benutzen, deren Anschaffung in die Millionen geht, ohne daß sie eine müde Mark dafür abgeben müssen. Und das, obwohl in ihrem Honorar wie bei den niedergelassenen Ärzten ein Entgelt für Investitionskosten enthalten ist. Niedergelassene Röntgenärzte müssen von jeder Mark, die sie verdienen, 70 Pfennig für die Refinanzierung ihrer Apparate zurücklegen.

Immerhin müssen diejenigen, deren Nebeneinkünfte über 500.000 Mark im Jahr liegen, demnächst 55 Prozent der Bruttoeinnahmen an die Klinik abführen. Wer bis zu 100.000 Mark an Privatpatienten verdient, muß ein Viertel dieser Einnahmen abgeben. Während sich Erhardt bei diesen Prozentzahlen exakt an den Parlamentsbeschluß gehalten hat, weicht er in einem zweiten Punkt davon ab. Die nach 1993 eingestellten Chefärzte müssen infolge der Gesundheitsreform bereits mehr an die Kliniken abliefern als Kollegen mit „Altverträgen“. Erstere werden von der Neuregelung ausgenommen. Der Wissenschaftsausschuß hatte sie aber ausdrücklich einbeziehen wollen.

Bislang flossen aus den Nebeneinkünften der Chefärzte jährlich etwa 12 Millionen Mark an die Unikliniken. Eine Umsetzung des Parlamentsbeschlusses hätte diesen Betrag verdoppelt, schätzt der gesundheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Bernd Köppl. Mit der verwässerten Fassung von Erhardt könnten die Unikliniken nur mit 2 bis 3 Millionen Mehreinnahmen rechnen. Köppl wirft Luther und Erhardt vor, sich „als Lobbyisten für die Chefärzte“ zu betätigen. Dorothee Winden