Prêt-à-porter
: Desillusioniert, aber angezogen

■ Mild und sexy: Vivienne Westwood macht auf damenhaft, Paco Rabanne in Leder

„Diese Saison tue ich etwas, was ich noch nie zuvor getan habe. Ich mache Zugeständnisse“, hatte Vivienne Westwood vor ihrer Schau den Reportern verkündet. Und so kam es auch – vorbei mit Hüftpolstern, Krinolinen und ausgestopften Riesen- BHs. Was sie dann zeigte, war keine wirklich gelungene Kollektion. Es war mehr ein großes Durcheinander von Kleidern, die man schon gesehen hatte. Nur erschienen sie jetzt in beträchtlich abgemilderter Form.

Daß ihre Kleider nicht für Freaks, sondern für Damen gemacht sind, scheint Westwoods Hauptanliegen zu sein. In der Silhouette erinnerte vieles an die vierziger Jahre. Mäntel und Jacken waren tailliert und fielen dann glockenförmig herab. Die Ärmel waren an den Schultern oft so angesetzt, daß sie eine Idee höher als die Schulter standen. Auch die Plateauschuhe, die früher so hoch wie griechische Kothurne waren, hatte sie auf 40er-Jahre- Maß herabgesetzt. Obwohl aber all die Polster entfernt worden waren, sahen die Models immer noch etwas mollig aus. So verwendete Westwood für die Röcke und Kleider Satin oder Baumwollstoffe, die im Material nicht fließend, sondern etwas sperrig erscheinen. Die glockig geschnittenen Röcke konnten vorne wegen des festen Stoffes nicht in Falten fallen. Sie standen nach unten hin einfach ein bißchen ab. Am Hinterteil waren sie allerdings stark in Falten gelegt, so daß sie beim Gehen kokett hin und her schwangen. Dazu kam eine kurze Kostümjacke, stark tailliert und an den Hüften etwas abstehend. Was dabei herauskam, war eine beherzte englische landlady, die sich stadtfein gemacht hat, aber trotzdem nicht auf Bequemlichkeit verzichten möchte. Ihre Statur verbietet ihr ein betont sexy Aussehen, mit ihren kräftigen Hüften sähe sie in einem Bleistiftrock lächerlich aus. Es sind diese Falten am Rock oder der Jacke, die so damenhaft elegant aussehen und gleichzeitig so kokett wirken, wie sie da so über dem Hinterteil schwingen, von vorn aussehend, als würden sie schalkhaft mal rechts mal links hinter dem Kleid hervorlugen – es sind diese Falten, die unmißverständlich bekunden, daß diese Frau von ihrer sexuellen Attraktivität überzeugt ist.

Westwood benutzt nicht nur Material und Schnitt, um den Eindruck einer überaus kräftigen Figur hervorzurufen. Die Kleider sind alle knielang, was den Eindruck von Gedrungenheit unterstützt. Die Blusen bauschen sich in einer Art über dem Busen, daß man sofort an einen wogenden Busen denkt. Unter einem durchsichtigen Kleid, daß an ein Wäschestück erinnert, trägt das Model einen BH, der große Ähnlichkeit mit einem Playtex hat. Er ist für einen Busen bestimmt, der diesen Namen auch verdient. Als alles vorbei ist, kommt Westwood raus auf den Laufsteg. Eine kleine Gestalt mit kurzen, fast weiß blondierten Haaren, in einem braunen Häkelkleid, unter dem sich ihr Bauchansatz deutlich abzeichnet. An den kräftigen Beinen trägt sie blaue Häkelstrümpfe und um den Hals liegt eine Perlenkette. Sie sieht wunderbar aus.

Die Schau von Paco Rabanne war ein hundertprozentiges Sechziger-Jahre-Retro, und es war das einzige, das mich überzeugt hat. Eigentlich war es mehr die Zeit der End-60er und Früh-70er. Er zeigte beige Schlaghosen, die auf Entfernung aussahen, als wären sie aus Veloursleder, und oben oder an der Seite waren sie geschnürt. Dazu ein einfaches kurzes T-Shirt, das die Models ohne BH trugen. Andere Schlaghosen waren aus schwarzem Leder, die mit ebenfalls schwarzen, 3/4-langen Lederjacken kombiniert waren, die sexy aussahen, aber gleichzeitig auch so, als sollte man der Dame besser aus dem Weg gehen. Auch die Hosen hatten nicht diesen superweiten Hippie- Schlag, sondern waren gerade so weit, daß sie cool wirkten.

Rabannes Frauen erinnerten an die erwachsen wirkenden Frauen Anfang der 70er Jahre, die sehr selbstbewußt, aber immer auch ein bißchen traurig und desillusioniert aussahen, so wie Monica Vitti oder Jaqueline Bisset in Truffauts „Die amerikanische Nacht“. Anja Seeliger