: "Das war eine ethnische Säuberung mit UN-Hilfe"
■ Erneut Vorwürfe gegen niederländische UN-Soldaten wegen Srebrenica
Tuzla (AP) – Das letzte Mal hat Hasan Nuhanovic seine Mutter, seinen Vater und den kleinen Bruder gesehen, als niederländische Blauhelmsoldaten die drei Muslime gemeinsam mit vielen anderen Bewohnern der UN-Schutzzone Srebrenica den serbischen Eroberern auslieferten. Ihr Schicksal ist drei Monate nach dem Fall der ostbosnischen Stadt ebenso ungeklärt wie die Frage nach der Veranwortung der UN-Soldaten für das Massaker, dem nach amerikanischen Schätzungen vermutlich 4.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Die inzwischen vorliegenden Berichte von Augenzeugen, Menschenrechtsgruppen und UN-Mitarbeitern zeigen die Unentschlossenheit und Gleichgültigkeit im Hauptquartier der UN-Truppen und bei den niederländischen Blauhelmsoldaten in Srebrenica. Beim Fall Srebrenicas sei das ganze System zusammengebrochen, berichtet ein informierter UN-Mitarbeiter, der ungenannt bleiben will. „Das war eine ethnische Säuberung mit UN-Hilfe, die letztlich zum Tod Tausender geführt hat.“
Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch beschuldigte vor kurzem die niederländischen Blauhelmsoldaten, den Kriegsverbrechen in Srebrenica tatenlos zugeschaut zu haben. Die UN hätten in Srebrenica völlig versagt. Dies gelte sowohl für krasse Fehlentscheidungen im Vorfeld der Eroberung als auch für die offensichtlich erfolgte Zerstörung von Beweismitteln für Menschenrechtsverletzungen.
Die niederländische Regierung hat diese Anschuldigung zurückgewiesen. Sie räumte allerdings ein, daß die Blauhelmsoldaten nicht ihre modernen Waffen zur Verteidigung der UN-Schutzzone eingesetzt und auch später nichts gegen die serbischen Truppen unternommen hätten, als diese die Muslime zusammentrieben. Die Offiziere hätten geglaubt, Widerstand gegen den Einmarsch der Serben würde nur ein „unnützes Blutbad“ provozieren, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jochem van de Laarschot. Nach Augenzeugenberichten waren die Blauhelmsoldaten in Srebrenica vor allem an ihrer eigenen Sicherheit interessiert. Die Niederländer hätten gesagt, sie wollten nicht für Bosnien und die Muslime sterben, erinnerte sich Senad, ein ehemaliger UN-Dolmetscher in Srebrenica. Oft habe er sie sagen hören: „Das ist nicht unser Krieg. Wenn etwas passiert, verstecken wir uns, warten ab und verschwinden dann von hier.“
Der niederländische Abgeordnete Jan Hoekema hat bei den Soldaten nach eigenen Angaben „sehr starke antimuslimische Gefühle“ festgestellt. Einige Soldaten hätten sich aus purer Abenteuerlust und wegen des Geldes zur Friedenstruppe gemeldet, sagte er.
Die Niederländer in Srebrenica hätten T-Shirts mit einem geschmacklosen Aufdruck getragen, auf dem ein Blauhelmsoldat ein bosnisches Kind würgte, das um Süßigkeiten bettelte, berichtete ein UN-Mitarbeiter. Viele der Soldaten haben nach Aussage des ehemaligen Dolmetschers Senad die Muslime in Srebrenica gehaßt. „Für sie waren alle Muslime dumm.“
Unterdessen belegt ein Schreiben des UN-Kommandos in Sarajevo an den niederländischen Kommandeur in Srebrenica, Oberstleutnant Ton Karremans, daß dieser beim Einmarsch der Serben den Befehl erhalten hatte, „alle vernünftigen Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge und Zivilisten zu ergreifen“. Karremans handschriftliche Notiz auf dem Schreiben lautet: „Nicht möglich.“ Maud Beelman
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